2005-08-29
Begegnung mit Peter Laminger
Kunst kommt von können, Kunst ist Wissen, Kunst ist Mensch. Wie oft haben wir mit Peter Laminger stundenlang darüber diskutiert und gestritten „Was ist Kunst?“ Ich weiß es bis heute noch nicht. Was ich weiß: Peter Laminger war Künstler.

Peter Laminger
Irgendwann im Frühjahr 1991. Die Abendsonne mischt ihre Farben in das Rotweinglas. Zwei Zigaretten dösen vor sich hin. Ein leeres Blatt, Tuschkeile und schwarze Tinte warten. „Lies den Text noch einmal“, sagt Peter und ich lese zum dritten oder viertenmal den gleichen Text. Er nimmt nur einen Schluck Rotwein, zieht an seiner Zigarette und taucht die Tuschfeder in das Tintenfass. Im Rhythmus meiner Stimme tanzen Striche, Zeichen, Hieroglyphen über das weiße Papier, verwandeln Wörter, Laute in ein Bild.
Peter Laminger war ein Künstler, der sein Handwerk beherrschte. Ein großartiger Zeichner, der mit seinem perfekten Strich die Realität wiedergab, oder diese in der Abstraktion des Striches noch verstärkte. Ein Maler, der die Farben mit kräftigem Duktus und doch höchster Sensibilität der weißen Leinwand einverleibte. Ein Konzeptkünstler, der mit seinen Rauminstallationen die Grenzen zwischen Tafelbild und Raum auflöste, oder radikal umkehrte. Er war ein Philosoph, der sich in seinen Arbeiten vor allem mit den Ursprüngen der abendländischen und christlichen Symbolik beschäftigte.

Peter Laminger
Irgendwann, ich habe das Jahr vergessen. Der Mond reibt sein Gelb an den verschmierten Fenstern des Ateliers. Zwei Gestalten knien am Boden, starren auf eine Leinwand. Der eine schweigt in der Betrachtung des Augenblicks gefangen, der andere taucht den schweren Pinsel ins Omegablau. Ein gemurmelter Monolog begleitet die Farbe auf ihren Weg zur Leinwand, tropft in deren Poren, drückt dem Weiß das Alpha ins Gesicht.
In seinem zentralen Bild- und Installationszyklus „Fetisch“, beschäftigt sich Peter Laminger seit seinem Parisaufenthalt um 1987 bis kurz vor seinem Tod mit der Fetischkultur unserer Zeit. Ein zufällig im Raum umherliegender Damenhausschuh und ein vereinsamter Herrensocken werden zu Vulva und Phallus – männlich/weiblich als Fetisch erstarrter Beziehungslosigkeit, einer Erotik ohne Sinnlichkeit - stilisiert und in unzähligen Variationen in Zeichnungen, Bildern, Stelen und Installationen weiterverarbeitet. Ob als Werkzeug, Mercedesstern, Cernunus oder als Ea, immer wieder konfrontiert uns Peter Laminger mit dem Begriff Fetisch. Mit seinem oft zynischen Humor demaskiert er für uns vertraute Symbole und entlarvt zum Beispiel die Mitra, oder das Kreuz als Fetisch der Macht.
Irgendwann, Anfang des Jahres 2003 drückt mir Peter ein kleines weißes Blatt Papier in die Hand. In gestochener Schrift steht oben die Überschrift: „Über Kunst …“, ganz unten der lapidare Satz: „Das ist sie!“ Der Rest ist weiße Fläche, Leere.

Peter Laminger
Eine Sammlung von Zeitungsartikeln betitelte Peter Laminger: „Über das Schaffen eines Taugenichts.“ In zahlreichen Ausstellungen, unter anderen in Los Angeles, Chicago, Paris, Genf, Venedig, Düsseldorf, Kassel, Wien, Klagenfurt usw. hat Peter Laminger seine künstlerischen Werke einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Trotzdem blieb die öffentliche Anerkennung seines Schaffens weit hinter der künstlerischen Qualität seiner Arbeiten. Sicher, er war kein bequemer Zeitgenosse. Er verstand unter Kunst schaffen etwas Elitäres, Avantgardistisches, nicht im Sinne des kleinbürgerlichen „Besserseins“ sondern als einen Weg des Vorausschauens, des Hinterfragens, der Desillusionierung der Wirklichkeit. In seinen letzten Zyklen nimmt er im Bewusstsein des Todes in beklemmender Weise Abschied von dieser Welt. Seiner Welt die „Der KUNST“. So könnte man die Kunst Peter Lamingers wiederum selbst als Fetisch interpretieren, als Versuch und Möglichkeit, die Grenzen des Lebens zu verstehen.
„Alles kann verstanden werden“, schrieb Peter Laminger einmal, „Die Wissenschaft, die Politik, die Technik, die Medizin, die Physik, Chemie etc. Nur eines muss man FÜHLEN um zu begreifen DIE KUNST.“
"Was ist Kunst?"

Peter Laminger
Kunst ist Fetisch, Kunst kommt von können, Kunst ist Wissen, Kunst ist Mensch…
Wie oft haben wir mit Peter Laminger stundenlang darüber diskutiert und gestritten. Ich weiß es bis heute noch nicht. Was ich weiß:
Peter Laminger war Künstler.
Sein Lebenswerk ist KUNST.