2003-11-11
FRAGMENT III
Mein Freund Anam sagte einmal: Der Brotherr geht in den Schuhen der Barfüßigen. Solange auch ich Schuhe trage, darf ich mir den Mund nicht mit fremder Erde vollstopfen. Meine Schuhe sind zwar alt, ausgetreten und brüchig. Aber es sind Schuhe. Mehr noch: Es sind die abgelegten, verbrauchten Schuhe des Brotherrn. Wir haben die gleiche Fußgröße.
Anam lebt von der Luft und ist mit Gedanken bekleidet. Er kann leicht ein strenger Richter sein. - Nein. das ist er nicht; ich meine eher, er ist ein trauriger Betrachter der Welt. Es gibt ihn kaum, denn er hat keine Schuhe. Manchmal treffen wir uns, Anam und ich. Irgendwo, plötzlich. Im Vorbeigehen sagen wir uns ein paar Worte, oft nur Andeutungen. Seit irgendwann sind wir Freunde, erkennen uns da und dort in der Welt, leben sehr verschieden, behüten aber unsere Wahrhaftigkeit. Nur in einem sind wir verschieden: Anam ist nicht auf Frauen angewiesen. So wenig wie auf Schuhe. So wie ein Jesus. Durch diese unglückliche Satzfolge mag jetzt der Eindruck entstehen, ich würde Frauen und Schuhmaterial gleichsetzen. Ich bin sehr weit von solchen Gedanken entfernt. Frauen sind für mich die geheimnisvollen Flügel der Seele. (Collage)