2003-10-02
Wahnsinn in Rot
Der Pinsel fährt, eigentlich rast er über das Papier, über den oberen Rand auf die Unterlage, zurück auf den unteren Rand zu, schon wieder drüber, fast bis zur Tischkante. Der Pinsel ist nicht rechtzeitig anzuhalten, rote Farbe tropft auf den Boden, auf meine Schuhe. Das Rot muss leuchtender werden! Wieder wird ein Klecks karminrot mit diesmal mehr gelb vermischt, ein leicht ins Orange gehende Rot füllt den Tiegel, der Pinsel taucht ein und fängt wieder an in rasender Geschwindigkeit über das Papier zu fegen.
Alle Kalenderblätter, die ich besitze, leuchten rot, röter, grellrot um mich herum. Rot soll angeblich nicht nur die Farbe der Liebe und der Leidenschaft sein, sondern soll auch etwas mit Aggression zu tun haben. Wenn ich bedenke, wie ich mit dem Pinsel, dem Papier, der Farbe umgehe, kann nur Letzteres zutreffen. Weitere neue alte Kalender werden organisiert und in aggressive Blätter verwandelt, bis die rote Farbe fast verbraucht wird.
Genug mit der roten Aggression! Ich mische kühles Blau mit Rot, mit Gelb, mit Weiß und beginne mit kreisenden Pinselstrichen einen größeren Karton zu bemalen. Ich betrachte das fertige Bild. Erstaunlich beruhigend und kühl! Während ich das blau-grün-violette Werk anschaue, schleicht sich meine Hand zum Pinsel im roten Farbtiegel. Ein paar schnelle Pinselstriche und die roten Farbreste haben das ruhige, kühle Bild wieder in ein unruhiges, aggressives Bild verwandelt.
Irgendwann werden mein Pinsel und ich wirklich ruhige, kühle Bilder malen.