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2003-06-12

Die Klamm

Ein "tiefes" Erlebnis

Während eines kurzen Ausfluges von der Reha-Klinik Hermagor aus entdeckten wir ein Hinweisschild zur Garnitzenklamm. Wir hatten schon von ihrer wilden Schönheit gehört und beschlossen, sobald es die Gesundheit von Andi zuließ, in diese Klamm zu steigen.

An einem Morgen im August, es war ein schöner Tag angekündigt, war es so weit. Bis wir unsere sieben Sachen zusammen und die ca. 60 km bis nach Möderndorf hinter uns hatten, war es bereits Mittag und wir wanderten anstelle in die Klamm schnurgerade in das Gasthaus am Garnitzenbach, das mit fangfrischen, gebratenen Forellen lockte. Nach dem köstlichen Essen schlossen wir uns anderen Wanderer und deren Kindern an. Eine Tafel am Beginn des Pfades beschrieb die Klamm als einen der schönsten und lehrreichsten geologischen Lehrpfad in Kärnten und dass sie rund 6 km lang ist und als Naturdenkmal ausgewiesen wird, bequem erwandert werden kann und dass nur der letzte Abschnitt zur Alten Klause etwas Gewandtheit und Trittsicherheit verlangte, da der felsige Pfad alpinen Charakter hat. Wir schauen wie weit wir kommen.

Der Weg, der immer enger und steiler wurde, führte uns schließlich zu den ersten kleineren und dann immer größeren Felsbrocken, die es zu überwinden galt. Der Wildbach tobte und schäumte manchmal neben uns, spritzte Gischt über die Wanderer und die Felsen, die glatt und zum Teil von glitschigem Moos überzogen waren und dann wieder stürzte das Wasser über steile Felsen in die Tiefe. Wir zogen uns an den Ästen und kletterten zum Teil auf allen Vieren weiter nach oben.

Endlich gelangten wir auf eine kleine Lichtung. Über den wieder aufgetauchten Wildbach führte eine neue Holzbrücke zum gegenüberliegenden Hang. Ein Pfad schlängelte sich zwischen Bäumen und Blumenwiesen nach oben. Wir ruhten uns aus und beschlossen, diesen Weg zu gehen, der, nach Auskunft von einheimischen Wanderer, an einem Forstweg endete. So umgingen wir die oben gelegene Klause und mussten nicht den felsigen, glitschigen Weg zurück nehmen.

An dem sanft ansteigenden Pfad dufteten wunderschöne Blumen, ein paar gefällte Bäume verströmten ihren harzigen Geruch. Nach etwa einer Stunde Aufstieg endete plötzlich der Pfad und wir standen vor einer Querrinne, die sich nackt, ohne Vorsprung oder auch nur den geringsten Bewuchs bis zum tief unten gelegenen Bachbett zog und ca. sechs Meter breit war. Ohne zu zögern, hantelte sich Andi auf dem fußbreiten Sims auf die andere Seite. Ich zögerte und je länger ich mit mir rang um so verzagter wurde ich. Ich hörte Stimmen hinter mir. Drei Männer tauchten auf und als der Letzte den Fuß auf den Sims setzte, fragte ich, ob er schon öfter diesen Weg gegangen wäre. Er verneinte, er wohne in Düsseldorf, aber sein Schwiegervater, da vorne kenne den Weg sehr gut. Ich nahm all meinen Mut zusammen und bat, mich hinüber zu führen. Selbstverständlich, das wäre überhaupt kein Problem. Auch er wäre ein geübter Berggeher. Er nahm meine Hand, redete beruhigend auf mich ein, nur fest auftreten solle ich, ich hätte ja gute Bergschuhe an. Etwa bei der Hälfte des Steges, meinte er, er müsse nun meine Hand loslassen, weil der Felsen überhängend wird und er jetzt beide Hände zum Festhalten brauchen würde. Ich solle nur genau auf meine Füße schauen, was aus meiner Sicht der größte Fehler war, denn dazwischen sah ich den grausigen Abgrund. Meine Knie schlotterten, ich war wie gelähmt und sah mich schon mit zerschmettertem Schädel im Bachbett liegen. Der Weg zurück war genau so weit, wie der vor mir. Zitternd schob ich mich zentimeterweise seitwärts. Nun war mir klar, warum meine Hand losgelassen wurde. Um an dem Felsüberhang vorbei zu kommen, musste man den Oberkörper nach außen lehnen und sich mit beiden Händen festklammern. Der Mann redete während dieser für mich nicht endend wollenden Strecke beruhigend auf mich ein. Endlich hatte ich es geschafft und war überglücklich. Die drei Männer verabschiedeten sich und ich hörte mir noch die leicht beleidigten Vorwürfe meines Mannes an, warum ich auf seine angebotene Hilfe verzichtet hätte. Ich wusste es nicht.

Ich war nicht nur froh, sondern auch ein wenig stolz, dass ich dieses Hindernis gemeistert hatte und wir wanderten weiter. Dann setzte kurz mein Herz aus. Vor uns tat sich eine weitere Rinne auf, nicht so breit wie die erste, dafür naß schimmernd und der fußbreite, moosige Steg lehnte nach unten. Ich stand verzweifelt vor dem Abgrund, Andi war schon wieder auf der anderen Seite, als die drei Männer eben dort erneut auftauchten und meinten, ich hätte zu große Angst, um über diese Rinne zu gehen. Wie recht sie hatten. Der freundliche Mann redete mir gut zu und ich traute mich, einzusteigen, bis ich etwa zwei Meter vor dem rettenden, festen Boden ein Loch im Steg sah, keinen Schritt weitergehen konnte und meine sowie so schon weichen Knie noch weiter nachgaben. Der Mann machte einen Schritt auf mich zu, wollte mir seine Hand reichen, da löste sich unter seinem Fuß die Grasnabe und die darunter liegenden Steine polterten in die Tiefe. Der Mann taumelte, der Bruder sprang vor und riss ihn vom Abgrund zurück. Mein Panik war darauf hin so groß, dass sie mich anscheinend antrieb, über die Kluft zu steigen und rasend schnell die letzten Schritte bis zum festen Boden zu machen.

Keine zehn Minuten später stießen wir auf die Forststraße.

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