2003-05-02
Das Nest
Ein Irrtum
Es ist fertig, weich, mit büschelweise herum liegenden Katzenhaaren gepolstert, gut
versteckt im Efeu, das an der Hauswand rankt, hoch genug, um es dem ärgsten Feind, dessen
Haare sie gesammelt hatte, und anderem Diebsgesindel so schwer als möglich zu machen, die
Eier oder später ihre Brut zu fressen.
Es ist die Amsel. Vielleicht die selbe Nestbauerin wie im vergangenen Frühjahr? Damals
ging alles schief. Ein Ei war aus dem Nest gefallen und die zwei, aus den wunderschön
getupften blauen Eiern geschlüpften Jungvögel haben nur zwei Tage gelebt, am dritten Tag
war das Nest leer. Unvorstellbar, daß unsere Katzen an der glatten Mauer so weit nach oben
klettern konnten. Also verdächtigten wir damals Elster, Marder und Wiesel.
Als ich heuer das neue Nest auf dem für Nesträuber unerreichbar scheinenden Platz sah und
nach kurzer Zeit drei Eier darin lagen, war ich erfreut und einigermaßen beruhigt. Nur die
Elster, die auf der Eiche saß und schnarrte, könnte gefährlich werden - dachte ich.
Wenn ich mich langsam aus dem Fenster beugte und wissen wollte, ob alles in Ordnung war,
schielte die Amsel freundlich zu mir herauf und schien keinesfalls durch diese kleine
Störung beunruhigt.
Als nach einiger Zeit nur mehr zwei Eier im Nest lagen, keine Spuren von einem
herausgefallenen Ei am Boden zu finden waren und ich die Amsel vor drei Tagen das letzte
Mal auf dem Nest sitzen sah, war ich traurig. Ich konnte mir nicht erklären, warum sie die
zwei Eier nicht weiter ausbrütete.
Dann kam die Gewissheit. Unser junger Schweinskater hing mit den Krallen seiner
Vorderpfoten in zweieinhalb Meter Höhe am unteren Ende des Brettes, an dem der Efeu rankt,
versuchte mehrere Klimmzüge, rutschte endlich aus und landetet unversehrt auf allen
Vieren.
Wir werden wieder Nistkästen anbringen und hoffen, daß die Amsel einzieht und nicht,
wie schon einmal, die Hornissen.