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2012-04-08 Produzieren für die Mülltonne ASPEKTE DES KAPITALISTISCHEN WACHSTUMSIMPERATIVS Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist ein von Grund auf widersprüchliches und damit auch ein durch und durch Konfliktlastiges. Eine der Grundnotwendigkeiten im Kapitalismus ist Wachstum. Ohne Wachstum kommt dieses Wirtschaftssystem in die Krise. Mit einer Krise gehen wiederum die Ausbreitung von Armut, Elend und auch Gewalt einher. Wachstum als strukturelles Grundmerkmal und unumgängliche Voraussetzung, gilt so natürlich auch für den Lebensmittelmarkt. Um die Gewinne zu steigern, was ja eine grundlegende Notwendigkeit für Firmen im Kapitalismus ist, sofern sie nicht von der Konkurrenz verdrängt werden wollen, muss immer mehr und/oder immer billiger produziert werden. Doch wir Menschen können zwar viel, aber nicht unendlich viel fressen (und kaufen). Überproduktion ist eine der Folgen. Was nicht mehr verkauft werden kann landet so im Müll. Müll der keiner ist
Gemeint ist damit das nächtliche Einschleichen in Müllräume von Supermärkten, um dort die noch guten Lebensmittel aus der Mülltonne zu holen. Aufwändig ist das nicht. Ein „Dumpsterausflug“ zum nächsten Supermarktmüllraum ist oft schneller erledigt, als der herkömmliche Einkauf samt anstehen an der Kassa. Die Supermärkte freuen sich über das „dumpstern“ natürlich nicht. Denn wer Essen aus der Mülltonne holt, kauft es nicht mehr ein. So funktioniert die Maschine nicht. Dementsprechend werden alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt, um „Dumpsterern“ den Gang in den Müllraum zu verunmöglichen. Aus Erfahrung wissen viele zu berichten, dass vor allem die Supermarktkette „Hofer“ immer öfter Schlösser wechseln, Eisengitter um die Mülltonnen bauen oder Alarmanlagen installieren. Trotzdem bleiben die Möglichkeiten der Supermarktketten beschränkt. Denn dieser Müll gehört in Österreich rein rechtlich niemanden. Konkret befinden sich Menschen die in Österreich „dumpstern“ in einer rechtlichen Grauzone. Es ist nicht illegal aber auch nicht zu 100% legal. Demnach machen sich Leute die „dumpstern“ auch nicht des „Diebstals“ schuldig. Ein Betreten der Müllräume, ohne dass die Tür o.ä. beschädigt wird, fällt auch nicht in die Kategorie Sachbeschädigung oder Einbruch. Bis heute gab es in Österreich keine Verfahren oder gar Verurteilungen wegen „dumpstern“. Wär ja auch noch schöner, wenn Menschen für das Einsammeln von dem was Supermärkte wegwerfen bestraft werden würden. Leider gilt dies nicht überall. In Deutschland, Frankreich oder Spanien machen Polizei und Justiz nicht vor Menschen die Lebensmittel aus dem „Müll“ holen halt. Im Gegenteil… Manche werden nun einwenden, dass es doch besser wäre, wenn die Lebensmittel anstatt weggeworfen zu werden, einfach günstiger verkauft werden würden. Allein dies ändert am Warencharakter von Nahrungsmitteln nichts. Damit würde sich auch an der grundlegenden Problematik der Überproduktion nichts ändern und ebensowenig an der globalen Verteilung von Nahrungsmitteln, weil so keine grundlegenden Herrschafts- und Machtverhältnisse in Frage gestellt und geändert werden würden. Damit würde sich auch nichts an der grundlegenden Problematik ändern, dass Lebensmittel „für die Mülltonne“ produziert werden. Erzeugt wird demnach genug, damit kein Mensch hungern müsste. Da im Kapitalismus aber nicht produziert wird um Menschen zu ernähren, sondern um Geld zu verdienen, muss Kritik an den aktuellen Lebensmittelmärkten und der Produktion von Nahrungs- und Lebensmitteln auch immer Kapitalismuskritik sein. Um das „dumpstern“ einem breiteren Publikum bekannt zu machen, folgt nun ein kleiner Erlebnisbericht eines Dumpsterausfluges, der irgendwann, irgendwo in Wien stattgefunden hat. Die Bilder sind Originalaufnahmen aus den Müllräumen der zwei Supermärkte in denen gedumpstert wurde. Die “Müllklauber” sind wieder da!
„Dumpstern“ hat für uns aber nicht zwangsweise mit Armut zu tun. Wir sehen es vielmehr als politische, direkte Aktion, zumindest teilweise, temporär aus der Konsumgesellschaft „auszusteigen“. Wir kaufen Lebensmittel nicht als Ware, sondern holen sie uns, nachdem sie aus dem Warenkreislauf rausgekickt worden sind. Dabei ist uns natürlich bewusst, dass „dumpstern“ keine Alternative für alle Menschen sein kann und dass die Lebensmittel im kapitalistischen Produktionsprozesses entstanden sind. Umso mehr wird aber deutlich, das „dumpstern“ ein Sabotageakt am kapitalistischen Akkumulationsprozess und der Unterwerfung immer weiterer Lebensbereiche unter die Verwertungslogik ist. „Dumpstern“ ist also auch eine Art Kritik zu üben.
Unterwegs sind wir mit zwei Rucksäcken und auf Rädern. Eine Taschenlampe und Handschuhe dürfen auch nicht fehlen. Bereits nach kurzer Fahrt, kommen wir beim ersten Supermarkt an. Die Straße ist leer und so sind wir schnell im Müllraum. Beim ersten Blick in die Tonne fällt sofort auf, was in den meisten Mülltonnen von Supermärkten Realität ist und wir bereits seit Jahren beobachten können: Mülltrennung gibt es nicht. Glas landet mit Biomüll, Papier und Restmüll in derselben Tonne. Auf Mülltrennung legen die meisten Supermärkte anscheinend keinen Wert. Oft genug haben wir bei den abendlichen Ausflügen übrigens schon die Mülltrennung nachträglich übernommen. Sofern Bio- und Restmülltonnen vorhanden sind heißt das, Restmüll raus aus der Biotonne und ab in die dafür Vorgesehene, oder eben umgekehrt.
Von der vielbefahrenen Straße aus, ist der Müllraum leicht zu entdecken. Grundsätzlich gilt: je mehr Leute an einer Müllraumtür vorbei fahren oder spazieren, umso weniger wird auf uns geachtet. Schnell sind wir im Müllraum und auch hier dasselbe Bild. Eine volle Tonne mit Milchprodukten, Brot, Äpfeln, Birnen, Paprika, Mineralwasser, Topfengolatschen, Kuchen etc. Unsere 2 WGs werden ein paar Tage gut essen können. Dann starten wir wieder auf zur nächsten Dumpstertour. In dieser Nacht sind wir übrigens allein in den Müllräumen, nicht selten kommt es aber vor, dass wir auf andere „Dumpsterer“ im selben Müllraum treffen, denn in der Zwischenzeit werden es immer mehr Leute die das machen. Nicht immer haben wir so viel Glück wie diesen Abend. Manchmal gibt es Tage, an denen wir nichts im Müll finden. Entweder weil andere schneller waren als wir oder weil an diesem Tag nichts weggeworfen wurde. Ärgern müssen wir uns darüber nicht, denn am nächsten Tag, so können wir annehmen, wird die Tonne umso voller sein. Wenn das nicht der Fall ist, fahren wir einfach zum nächsten Supermarkt und suchen den dortigen Müllraum oder Innenhof. Supermärkte gibt’s ja genug…. Linktipps zum Thema:
Super Beitrag!
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