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2009-07-20 Nichtraucher Über den Sieg der Vernunft und ihre sonderbare Wut .
Neulich in Hermagor vis-a-vis des Bahnhofs: Es ist halb acht in der Früh und es schüttet in Strömen. Reinhilde und ich flüchten uns ins naheliegende Gasthaus. An den Nebentischen sind auch schon einige andere Besucher und Besucher/innen. Wirklich gemütlich, wenn es draußen regnet. Was viele meiner Freunde stören würde: An einigen der anderen Tische wird geraucht. Eigentlich sonderbar diese Geschichte mit dem Rauchen. Der Umgang mit dem blauen Dunst verfolgt mich schon mein ganzes Leben lang. Mein Vater war starker Raucher, über Jahrzehnte hinweg 40 und mehr von der Marke "C". Das, das üppige Essen und die nicht gerade bewegungsfreundliche Lebensweise hat wohl auch zu seinem relativ frühen Ableben beigetragen. Aus ein bisschen zeitlichem Abstand war es halt ein typisches Leben des Hacklers der Nachkriegszeit, des Konsumismus des Fordismus, um es mal ein bisschen geschraubt auszudrücken. Naja, wenigstens hatten sich meine Eltern mangels Auto ein Minimum an Bewegung verschafft ... Für mich als Jugendlichen war das damals ziemlich schwer zu ertragen: Der Raucherhusten in der Früh, das besorgniserregenden Gesundheitsbild. Aber genutzt hat's halt nichts, dass ich meinen Vater damals mit aller Eindringlichkeit auf die Antirauch-Filme der damaligen Zeit (mit Szenen aus dem OP, wie einem Patienten im Rahmen einer Amputation gerade die Knochen durchsägt werden und ähnlichen Grauslichkeiten) aufmerksam gemacht habe. Vater ist nur zornig geworden und hat sich die nächste Zigarette angezündet ... Nun, damals – vor 35 Jahren" – war ich „Nichtraucher". Heute rauche ich nach wie vor nicht, aber ich bin wohl kein „Nichtraucher" mehr. Zwar gibt es nach wie vor die altbekannten und ja durchaus richtigen Argumente gegen das Rauchen und es wäre einfach idiotisch, FÜR das Rauchen zu sein, nur weil EU-weit auf öffentlichen Plätzen, in Gasthäusern das Rauchen mehr oder weniger verboten wird. Aber ich bin kein „Nichtraucher" mehr, keiner, der mit dem Zeigefinger herumfuchtelt und andere zur Verhaltensänderung motivieren will. Denn da hat sich was in der ganzen Gesellschaft getan. Irgendwas, das beunruhigend ist und das sich immer wieder in Form einer geradezu hysterischen Ablehnung des Rauchs in diversen Lokalen Bahn bricht. Schwer zu beschreiben, was da zuspüren ist, aber ich sag's mal so: Ein geradezu totalitärer Tugendterror auf den Einzelnen / die Einzelne. Das Individuum ist's, das sich ändern muss, dann wird's auch der Gesellschaft wieder besser gehen. Und da ist das Rauchen nur eine der Facetten. Der /die Einzelne soll: Nicht rauchen. Nicht Schweinefleisch essen. Soll Sport betreiben. Soll nicht ängstlich sein. Soll konsumieren. Soll kritisch konsumieren. Soll flexibel sein. Soll gebildet sein. Soll sich weiterbilden (lebenslänglich). Soll Bildungsstandards erfüllen. Soll tolerant sein. Soll fair sein. Soll proeuropäisch sein. Soll kein Anspruchsdenken haben. Soll Eigenvorsorge betreiben. Soll sich vermarkten können. Soll bei der Wahl die Stimme abgeben. Soll locker sein. Soll leistungsbereit sein. Soll innovativ sein. Soll kreativ sein ... Mit einem Wort: Jedes einzelne Individuum soll als Einzelne/r für sich „vernünftig" sein. Und dann – gepriesen sei die „invisible hand" – werde alles gut. Zu dieser Hinrichtung des Individuums bedarf es der Bildung. Der ständigen Erziehung des Individuums zur „Einsicht in die Notwendigkeit", sprich: zur „Freiheit". Aber wenn das nichts fruchtet, dann geht's auch anders, dann ist hinter der sanften Gewalt der offene Zwang – siehe Rauchverbote. Soviele – zum Teil einander widersprechende, aber nie und nimmer erfüllbare – Ansprüche machen Druck, machen aggressiv, machen hypersensibel: Bei den Braven, den „Vernünftigen". Da hält man den Rauch einfach nicht mehr aus. Und die, die sich da einfach gehen lassen, die so unvernünftig sind. Halten die einem doch den Spiegel vor Augen und zeigen einem,wie man sich doch bemüht, tagaus, tagein ... Und die andere Seite, die „Unvernünftigen", die „Rebellen"? Die spüren bzw. ahnen, dass da was nicht stimmt. Den Druck. Nein, zu diesen Strebern wollen sie nicht gehören. Und sie verweigern sich, sind einfach trotzig. Und aggressiv, ... wird ihnen doch ständig die andere Seite des Spiegels vor Augen gehalten, das, was sie eigentlich doch auch sein wollen und nicht schaffen. Viele schlagen zu gegen etwas, das sie nicht greifen, nicht erklären können, das aber da ist. Zwei Reaktionstypen also auf die kapitalistische Vergesellschaftung in ihrer neoliberal-krisenhaften Phase. Das Versprechen des Fordismus – ordne dich der großen Maschine mit ihrer entfremdeten Arbeit unter und du wirst durchgefüttert – ist zerbrochen. Jetzt gibt's nur mehr dich als dein eigenes Kapital und den Kampf um die Existenz. Und den schlanken, aber umso effizienter durchgreifenden Staat. Reden wir darüber, ob's nicht auch ein Leben außerhalb dieser Doppelmühle gäbe ...
Meine Eltern waren ebenfalls so starke Raucher und sind ebenfalls relativ früh gestorben, nachdem sie lange an den Folgen des Rauchens litten. Jedes Angebot zur Untestützung beim Aufhören hat auch sie leider nur zornig gemacht.
jede konsequente utopie umfasst als wichtigen grundsatz das recht der selbsttötung die denkbare vorstellung einer totalen freiheit muss auch das recht umfassen über sich selbst zu bestimmen das rauchen und der gesellschaftliche umgang damit ist in den letzten jahren zu einem anschaulichen beispiel für die entmündigung von bürgerinnen geworden die punkband schleimkeim bringt es auf den punkt: mach dich doch selbst kaputt bevor es jemand anders tut | Gustav Gans |, 2009-08-11, Nr. 4589 Passivrauchen ist ungesund, so lautet die gängige Annahme: bis zu 30 Prozent höher soll das Risiko sein, eine Herz-Kreislauf-Krankheit zu bekommen, wenn man dem blauen Dunst des Partners ausgesetzt ist.
diana, 2009-08-11, Nr. 4591 lieber walther,
mimenda, 2009-08-11, Nr. 4592 diana, das mit dem brennenden augen und den stinkenden klamotten war doch schon immer so. was glaubst du, warum sich heute die leute aufregen und früher nicht?
diana, 2009-08-12, Nr. 4593 mimenda, mich hat die "tschickerei" in bars schon vor 10 jahren MEGA gestört und sie stört mich auch heute noch!!!!
mimenda, 2009-08-12, Nr. 4594 wenn es darum ginge, rücksichtsvoll zu sein, warum dann gerade das rauchen? ich erlebe rücksichtslosigkeit überall!
diana, 2009-08-13, Nr. 4595 lieber mimenda,
mimenda, 2009-08-13, Nr. 4596 nun, wenn du dem volk das opium nimmst, bleibt die pure angst übrig. und das ist m.e. der sinn des rauchverbots: repression, damit wir uns noch besser anpassen in der erwartung der einschränkungen (unserer "freiheit"), die da noch kommen werden. auf der anderen seite dürfen wir noch spaß haben, egal wie schal der ist. ja, je schaler der spaß, desto verblödeter die klientel, die ihn sich antut und desto leichter ist dieser mit verstärkter repression beizukommen.
diana, 2009-08-13, Nr. 4597 ja, mimenda. was können wir beide jetzt bewirken? wie kommen wir auf einen gemeinsamen nenner. ich will einmal erleben, dass bei einer beitragsdiskussion ALLE sich verstanden fühlen/das gefühl haben erhört worden zu sein etc... mir wurde unlängst erklärt, ein kompromiss birgt immer auch eine enttäuschung/verzicht.
mimenda, 2009-08-13, Nr. 4598 aber klar verstehe ich das, aber sowas von :-)
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