2009-04-12
Am Weg zur weiteren ,Brasilianisierung'?
Zumindest die 50 reichsten Österreicher verfügen spätestens seit 2007 über das Potential, ebenso rasch wie Julius V. 100 Millionen Euro (sozusagen aus der Portokasse) als Kaution zu hinterlegen. Denn bereits 2007 hatte das Vermögen der 50 reichsten Österreicher erstmals den Betrag von 100 Milliarden Euro überschritten. Nicht zuletzt dank der Tatsache, dass jeder Euro fetter Gewinn kaum halb so hoch besteuert wird wie ein Euro noch halbwegs passabler Lohn. Und selbst die größten ererbten Vermögen (im Gegensatz zu allen anderen OECD−Staaten) fast so gut wie gar nicht mehr.
Gewiss, unsere Superreichen befinden sich in bester Gesellschaft. In Gesellschaft eines zu einem großen Teil von weltweit rund 11 Millionen Millionärshaushalten erzielten gigantischen Vermögenszuwachses. Dieses betrug z. B. zwischen 1995 und 2006 104 Billionen Dollar (von 66 Billionen auf 170 Billionen Dollar) Sodass sich dagegen die soeben von den reichsten Ländern für die ärmsten Länder bereit gestellte Billion bescheiden ausnimmt.
Trotzdem werden nicht nur in Österreich diejenigen, welche dem ohnehin schon gebläuten Globus diese Suppe einer zur Chance schön geredeten Krise eingebrockt haben, nur selten mit den Bedauernswerten verwechselt werden können, welche diese Suppe auszulöffeln haben werden. Dazu gehören im viert reichsten Land der EU auch jene7,5 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen, die (noch?) mehr als 50.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Die werden auch nach der Steuerreform mehr als 50 Prozent davon für den immer mehr schwächelnden Sozialstaat abliefern müssen. Während das reichste Prozent der ÖsterreicherInnen nicht nur ein Drittel, sondern möglichst bald die Hälfte der Vermögenswerte dieses Landes sein Eigentum nennen darf. Sodass Hand in Hand mit der „Berlusconisierung“ (Entpolitisierung) Europas hierzulande die globalisierungsgerechte Anpassung an die Schwellenländer („Brasilianisierung“) auch in Zukunft munter voranschreitet. Denn auch bei uns pflegen die Einkommen der Superreichen 10mal so schnell zu wachsen wie das BIP. Also noch schneller als das Heer der Niedriglöhner, die gar nicht mehr in der Lage sind, eine Steuer zu bezahlen, weil sie weniger als 16.870 Euro brutto im Jahr verdienen. Das sind mittlerweile bereits 2, 7 Millionen Menschen.
Michaela Kohlbacher-Schneider, 2009-04-12, Nr. 4444
Tja, der Wahnsinn hat Methode!
Dass die neoliberalen Prinzen es als linke Kleingeldwäsche bezeichnen, wenn Sozialdemokraten, die offenbar diese Titulierung noch verdienen, fordern, dass Vermögen wieder besteuert werden sollen, ist ja nicht anders zu erwarten.
Dass sog. Sozialdemokraten, die uns derzeit von div. Plakaten anlächeln und fordern, wir sollen mit der SPÖ um die Arbeitsplätze kämpfen (eindeutig zweideutig ;-) ), sofort in die neoliberale Bresche dazu springen, ist doch eher ekelhaft.
Ich frage mich auch, was in Zeiten wie diesen, das Signal bedeuten mag, Vermögen unangetastet zu lassen, die wenige noch vorhandene Arbeit steuerlich (ein wenig) zu entlasten und mit beiden Händen dem jahrelang verzocktem Geld unser Steuergeld hinterher zu werfen. Wo bekommen wir das Geld her? Darum gibt es ja wohl auch kein Geld für Bildungs- und Sozialreformen.
Und was ist mit der schwarzen Liste der Steueroasen geschehen? Ich hätte nicht bemerkt, dass die Kaimans, Jersey, Guernsey etc. irgend etwas geändert hätten.
Wer zahlt die Zinsen für die Kaution von Julius V., während seine Anleger durch die Finger schauen?
Frei nach Shakespeare: Es ist was faul im Staate Österreich ... und leider nicht nur dort!
Wie viele Österreicher müssten wohl a la Evo Morales in Hungerstreik treten, um diese Brasilianisierung wirksam zu bekämpfen? Und wie viele wären bereit dies auch zu tun?