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2008-10-11 Einführung zum Workshop Dachau – Klagenfurt ASPEKTE EINER UNGESCHRIEBENEN BEZIEHUNGSGESCHICHTE Der vorliegende und bisher noch unveröffentlichte Beitrag entstand im Rahmen des Workshops Dachau - Klagenfurt am 23. 8. 2008. Vor bald 35 Jahren (1974) wurde die Städtepartnerschaft Klagenfurt – Dachau besiegelt. Ob der damalige Klagenfurter Bürgermeister Guggenberger dabei auch im Auge hatte, dass nicht nur die Stadt Dachau mit der Geschichte eines nationalsozialistischen KZs geschlagen war, sondern dass sich auch in seiner Heimatstadt Klagenfurt ein KZ befunden hatte, ist nicht überliefert. Es ist anzunehmen, dass die Städtepartnerschaft damals jenseits solcher Überlegungen geschlossen wurde. Vor acht Jahen besuchte der Nachfolger Guggenbergers, der heutige Bürgermeister Harald Scheucher, zum ersten Mal die Partnerstadt Dachau. Scheucher legte im ehemaligen KZ Dachau einen Kranz nieder und schrieb sich ins Goldene Buch der Stadt ein. Ob dabei auch die KZ-Beziehungen zwischen Dachau und Mauthausen bzw. Dachau und Klagenfurt zur Sprache kamen, ist eher unwahrscheinlich. In den Medien war jedenfalls zu lesen, dass der Dachauer Amtskollege von Scheucher, der damalige Oberbürgermeister Piller gesagt haben soll, Dachau betrachte das historische KZ-Erbe nicht als Last sondern als Chance; Dachau sei ein Lernort, damit solche Dinge nie wieder geschähen. Anzunehmen ist, dass der Klagenfurter Bürgermeister damals noch hoffte, dass dieser Kelch – Bürgermeister einer Stadt mit einem Mauthausen-KZ zu sein – an ihm vorüber ginge. Als ich im selben Jahr, am 18. Oktober 2000, bei Bürgermeister Scheucher zum ersten Mal wegen einer Gedenktafel bei der ehemaligen SS-Kaserne in Lendorf vorsprach, gab er sich jedenfalls uninformiert; er war sehr überrascht, als ich ihm von einem KZ in der Lendorf Kaserne etwas erzählte; erfreut war er ob dieser Mitteilung und meinem Ansinnen sicher nicht. Was ihn noch mehr ärgerte als die Existenz eines KZs in seiner Stadt, war, dass der ORF, der in diesem Jahr den großen 10. Oktober Festumzug übertrug, ein vom Abwehrkämpferbund getragenes Fahnenband mit dem SS-Spruch „Meine Ehre heißt Treue“ groß herausbrachte, wodurch in der Öffentlichkeit der Eindruck einer gewissen NS-Nostalgie und einer nachlässigen Handhabe des Verbotsgesetzes in Kärnten entstanden sei. Scheuchers Ärger galt nur der medialen „Öffentlichkeit“, denn als Sohn des Gründers des Ulrichsberg-Gedenktreffens musste ihm das Spruchband wohl bekannt sein, da sich alljährlich am Ulrichsberg auch die SS-Veteranen mit ihren entsprechenden Fahnen und Spruchbändern treffen – in Anwesenheit von Politprominenz aus Stadt und Land. Klagenfurt und seine NS-Gefängnisse waren ab 1938 Zulieferer für praktisch alle KZs im Deutschen Reich. Viele Kärntner Slowenen wurden über Klagenfurt nach Dachau verschleppt; zum Beispiel: Der engagierte Kulturschaffende Kärntner Slowene Folti Hartmann wurde 1941 nach Dachau deportiert, wo er einen slowenischen Häftlingschor aufbaute und leitete. (Im Vorjahr, am 10.2.2007, gedachten wir der „Dachauer Slowenen“ anlässlich des 100. Geburtstages von Folti Hartmann.) Der Kärntner-slowenische Kaplan Anton Kutej aus St. Michael/Šmichel wurde in Mauthausen gequält und in Dachau zu Tode gebracht; der Klagenfurter Kommunist Josef Nischelwitzer befand sich im ersten Österreicher-Transport vom 1. April 1938 nach Dachau. 1942 wurde Nischelwitzer einem Dachauer-Außenkommando zugeteilt, das im Stift St-Lambrecht in der Steiermark Zwangsarbeit leisten musste. Später wurde das Außenlager St. Lambrecht vom KZ Mauthausen übernommen. Mauthausen selbst wurde von Dach-Häftlingen 1938 aufgebaut. Und Mauthausen-Häftlinge halfen ab 1943 beim Ausbau der SS-Kaserne Klagenfurt-Lendorf. Einige dieser Häftlinge hatten schon vor ihrer Mauthausen-Haftzeit das KZ Dachau kennen gelernt, dem später innerhalb der SS-Organisationen der Status eines Ausbildungslagers für SS-Kader und für KZ-Kommandanten gegeben wurde. Nach der Befreiung sprach man von Dachau auch als „Mörderschule“ für die SS. Einer dieser Dachau-Mauthausen-Lendorf KZ-Häftlinge, der aktive Kommunist und deutsche KZ-„Schutzhäftling“, Kaspar Bachl konnte im November 1944 aus einem Arbeitskommando des KZs Klagenfurt-Lendorf fliehen, sich nach Bayern durchschlagen und dann das Kriegsende in verschiedenen Verstecken in Österreich erleben. Während aus dem Loibl-KZ mehrere gelungene Fluchten bekannt sind, ist diese Geschichte vom KZ-Klagenfurt-Lendorf singulär. Die Frau von Bachl befand sich zu dieser Zeit als wichtigste Fluchthelferin in Klagenfurt. Hans-Günter Richardi nennt das KZ Dachau „Schule der Gewalt“. Absolventen dieser „Schule“ wurden auch nach Klagenfurt berufen. Der erste Kommandant der SS-Kaserne in Lendorf war der SS-Sturmbannführer Hilmar Wäckerle, Bezeichnend für seine „Karriere“ ist folgendes: Der SS-Mann Hilmar Wäckerle war 1933 (von März bis Juni) der erste Kommandant des KZs Dachau. Wegen seiner besonderen Brutalität war er sogar für die Nazis untragbar. Nachdem die Staatsanwaltschaft München gegen Wäckerle wegen „Eigenmächtigkeit“ bei der Ermordung von KZ Häftlingen und bei der Einrichtung eines dubiosen "Lagergerichts" Ermittlungen einleitete, wurde er als Dachauer KZ-Kommandant abberufen. An die Stelle von Wäckerle wurde im Juni 1933 der spätere "Inspekteur der Konzentrationslager", Theodor Eicke, eingesetzt. Auch in Klagenfurt war Wäckerle nur kurze Zeit Kasernenkommandant, nämlich ein knappes Jahr. Mitte März 1939 verließ er mit seiner Einheit Klagenfurt, um im September 1939 am Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen und 1940 auf die Niederlande dabei zu sein. Wäckerle fiel nach verschiedenen SS-Einsätzen im Sommer 1941 in der heutigen Ukraine. Lassen sie mich noch zum Schluss von einer persönlichen Begegnung berichten, die indirekt auch etwas mit der Beziehung Klagenfurt – Dachau zu tun hat. Als im Vorjahr am 17. September 2007 beim Haupttor der Kaserne in Lendorf eine Gedenktafel für die Opfer des Mauthausen-Außenlagers enthüllt wurde, war der einzige heute noch lebende Überlebende des KZs Klagenfurt-Lendorf anwesend: Rajmund Pajer. 1930 in einer Familie Triestiner Slowenen geboren, kämpfte er als knapp 13jähriger bei den Partisanen, wurde verwundet und verhaftet, war im Geiselgefängnis Begunje und in mehreren Außenlagern von Mauthausen. Sein Vater wurde ins KZ Dachau deportiert, aus dem er nicht mehr zurück kam. Der Sohn Rajmund wurde am 5. Mai 1945 in Mauthausen befreit, da war er gerade 15 Jahre alt geworden. Zu seiner Teilnahme an der Gedenktafelenthüllung im September 2007 in Lendorf schrieb mir Rajmund Pajer sinngemäß: Zum ersten Mal in meinem Leben ging ich nicht als KZ-Häftling sondern als Mensch mit erhobenen Haupt durch das Kasernentor. Ich war ein respektiert, auf einer Augenhöhe mit dem Minister und den höchsten Militärs. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl: Wir haben die NS-Zeit nicht nur überlebt, wir haben die Nazis besiegt. Wir sind die eigentlichen Helden. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit und ihr Engagement für die Erinnerung an Klagenfurt – Dachau.
Danke für den Beitrag, - es ist nicht verwunderlich, daß sich nicht viele Menschen mit der Geschichte und Erinnerung befassen in der Zeit von "null Pock", sobald man in der Verwandschaft, Bekanntschaft etc. mit der Vergangenheit anfängt kommt die Unterhaltung ins Stottern - wir sind in einer gefestigten Demokratie verbunden mit Mut und Zivilcourage noch nicht angekommen um aus der Vergangenheit zu lernen, jetzt besteht meine Hoffnung nach dem 11. Oktober 2008.
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Meine eigenen Erlebnisse beim Bundesheer sind eine Bestätigung dafür, dass sich hierzulande wenig geändert hat.
22.Februar 2011 - Es gibt Menschen, welche sich dem lebenden und toten
Hallo...ich finde grad beim googeln diesen Bericht. Ich bin die Enkelin von Kaspar und Balbina Bachl und suche nach Dokumenten und Bilder von meinen Großeltern. Wenn mir wvtl. hier weiter geholfen werden könnte... wäre ich sehr dankbar. Mit lieben Grüßen Daniela Schewe |
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