2007-07-20
Wir werden auch an die Leistungsträger denken müssen ...
Unser Herr Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, seines Zeichens Propagandist der
solidarischen Hochleistungsgesellschaft, hat auf die Frage, ob im Zuge einer großen Steuerreform auch der Höchststeuersatz gesenkt werden müsse, gesprochen:
„Wir werden auch an die Leistungsträger denken müssen."
Kleine Zeitung, 20.7.07, S.5
Nur zum Verständnis: Damit sind Einkommensbezieher/innen von 3.000 Euro monatlich aufwärts gemeint. Den Folgenden kommt der gusenbauersche Ehrtentitel „Leistungsträger" allerdings sicher nicht zu:
Vom Arbeitnehmerkult zum Leistungsrassismus
Was sich hier zeigt, ist
- ein Reflex auf den Zerfall des Modells der massenhaften Lohnarbeit (Fordismus). Die „Loser" werden tendenziell der FPÖ-BZÖ-Partie überlassen. Aber das ist nur das eine, was mir im Zusammenhang mit Gusenbauers Zitat derart aufstößt.
- Was aber wirklich bedenklich ist, ist die erneute Zuspitzung in der Anhimmelung des Kapitalismus durch die Sozialdemokratie. War schon die permanente Bejubelung der Lohnarbeit zumindest implizit ein Hochlebenlassen von Entfremdung / Kapitalismus (dazu siehe die Kärnöl-Diskussion
(c) ARBEIT), so signalisiert der Begriff „Leistungsträger" die offene Hinwendung zum Sozialdarwinismus. Denn warum sonst sagt Gusenbauer nicht einfach „gehobene Mittelschicht"? Aber nein, er muss einen Begriff verwenden, der den liberalen [!] Wahn auf den Punkt bringt.
Zugespitzt wird seine Aussage noch durch einen anderen programmatischen Punkt des Interviews, der im ersten Moment wie eine Einforderung von sozialer Gerechtigkeit klingen mag: Er beklagt, dass die Vermögenssteuern in Österreich relativ niedrig seien. Diese Verquickung von Leistungsrassismus und einem Gerechtigkeitsverweis auf die Vermögenden ergibt nun aber einen Mix von ganz besonderer Brisanz: Das trieft nur so vor antisemitisch unterfüttertem Neid auf „Heuschrecken", „Abzocker", „unproduktiven Finanzkapitalisten" ...!
So ist zu fürchten, dass die Krise des Systems noch so manches verschwunden geglaubte Monster zu Tage kommen lässt. Es gilt daher, einerseits wachsam zu sein und andererseits nicht selbst durch verkürzte Erklärungsmuster an der Entstehung genannter Monster mitzuwirken!
Mehr über die weltanschaulischen Zerfallsprozesse am Ende des Fordismus: