2005-09-08
Der Libanon schweigt
Wo war der nette alte Mann geblieben, der den herrlich duftenden Kaffee anbot, wo war der Schuhputzer, der mit seinem feinverzierten und goldüberzogenen Schemel um Kundschaft warb. Wo war sie geblieben, die unüberschaubare Masse an herumtollenden Kindern, Händlern aller Art und jungen Libanesen, die sich hier mit ihren Freundinnen für gewöhnlich einen schönen Abend zu machen pflegen. Haben die Syrer denn auch die Lebensfreude zusammen mit ihren Besatzungstruppen abgezogen?
Voller Freude wieder zurück im Libanon zu sein, war mein erster Weg an die Beiruter Küstenpromenade, wo sich für Tag fuer Tag tausende Leute tummeln, um den Abend mit einer Wasserpfeife, einem Glas Almaza oder mit herrlich duftenden arabischen Kaffee ausklingen zu lassen. Ich vermisste ihn so sehr, den erfrischenden Beiruter Küstenwind, nach einem harten Arbeitstag, und das Leben, dass erst mit Sonnenuntergang zu erwachen schien. Doch da war niemand.

Thomas Kukovec
Die Anschläge im Libanon haben tiefe Risse im Land hinterlassen. Der Schock über den Verlust des ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik Hariri war gerade überwunden, da wurde das Land von einer erneuten Welle von mysteriösen Explosionen heimgesucht. Zuerst schienen es politisch motivierte Attentate gegen bestimmte politische Figuren und ungeliebte Journalisten zu sein, doch jetzt richtet sich dieser Terror auch gegen die Vergnügungszentren in den Christenvierteln der Beiruter Suburbs. Es scheint gerade so als ob eine unbekannte Macht den Libanon nicht loslassen möchte und nichts unversucht lässt um dieses Land im Status quo zu behalten. The problem is that we don’t know who’s doing this?, ist die einzige Antwort die von der Strasse kommt.
Die Gassen sind fast menschenleer. Wohin man schaut skeptische Gesichter, freie Plätze in den Bars und Cafes. Politische Symbole aller Art wehen von den Dächern Beiruts. Die alten Fronten scheinen sich abermals zu verdichten. Man sieht sie wieder an den Haeusern, die Banner der „Lebanese forces“ in den von Chrsiten dominierten Stadtteilen Beiruts.
Die Frage ist nicht Ob, sondern Wann und Wo die nächste Bombe in die Luft geht. Unsicherheit prägt den Alltag, aber das Leben muss weitergehen. Jedoch hinter verschlossenen Toren in eine Land das keine Türen kennt.
Gerade zu jener Zeit als der Libanon das Image des Bürgerkrieges verloren zu haben schien, ein für alle mal ablegen konnte und Beirut wieder zu altem Glanz und Glorie erstrahlte, die Studenten das Nachtleben regierten, die unzähligen Pubs und Restaurants, Nightclubs und Jazzbars unter ihre Kontrolle brachten; soll denn alles nur ein Traum gewesen sein?
Ich gehe dennoch aus, aber das Gesicht des Libanon hat sich verändert, denn der Libanon schweigt.