2004-10-13
Rausschmiß aus Gaza
siehe auch:
„Yalla Ghabij, show me the camps!“

Warten am Terminal
Angekommen in Cairo war mein einzig erklärtes Ziel, die Einreise nach Gaza, auf dem Landweg über die geteilte Wüstenstadt Raffah, am Rande des Sinai. Eine höchst waghalsige Idee, angesichts der Tatsache, dass dieser Landstrich als einer der gefährlichsten der Welt gilt, schließlich herrscht Krieg zwischen Israel und dem palästinensischen Volk. Ein bekanntlich ungleicher Kampf, der mehr an die biblische Konfrontation zwischen David und Goliath erinnert, als an einen konventionelle Krieg zwischen zwei Armeen. Schließlich ist es auch der gleiche Boden auf dem dieser Konflikt ausgetragen wird.
Angekommen am ägyptischen Grenzterminal und einer kleinen und unkomplizierten Kontrolle durch die ägyptischen Behörden, wurden wir, das heißt ich und etwa 100 Palästinenser, ins Niemandsland zwischen Sinai und dem Gazastreifen gestopft, um dort auf den Transfer zum israelischen Terminal zu warten. Für eine Wegstrecke von etwa 200 Metern, die ohne Probleme durchaus selbst für eine ältere schwächliche Dame problemlos in 5 Minuten zurückzulegen gewesen wäre, wurde zu einer zweistündigen Reise in einem mit Gepäck und Menschen völlig überladenen Bus, ohne Klimaanlage und Toilette, und das bei 40 Grad. Man durfte sich nicht im Freien aufhalten. Order der Israelis.
Nach zwei Stunden wurden wir zum israelischen Terminal gebracht, wo uns israelische Soldaten mit high-tech Maschinengewehren und Panzern in Empfang nahmen. Obwohl das Fotografieren strengsten verboten war, gelang es mir dennoch einige Bilder von der Szenerie im Bus zu machen. Eines konnte meine Kamera allerdings nicht einfangen, das Weinen der Kinder beim Anblick der Kettenfahrzeuge, die sich außerhalb des Busses befanden. Freundlich nahmen mich die Palästinenser in ihre Mitte auf, seien sie doch Dankbar für mein Interesse für ihr Leid. Weiters sagte man mir, dass sie heute keine Probleme bei der Einreise in ihr Land hätten, weil ich doch dabei wäre und die israelischen Soldaten sie vor Ausländern nicht schlagen würden.
Beim Ausstieg aus dem Bus war das Erste was ich sah ein Soldat, mit einen schussbereiten Waffe, mit dem Lauf in Richtung Bus gerichtet. Arrogant mit einer Sonnenbrille im stocksteifen und ausdruckslosen Gesicht, mit einer einschüchternden Uniform hatten sie alte und stolze palästinensische Herren in traditioneller Tracht wie Vieh in einen Abfertigungshanger getrieben. Ich hatte dabei ein Deja Vue, erinnert an die Berichte aus dem Geschichte - Unterricht, wo uns Bilder und Filme von den SA-Soldaten gezeigt wurden, die Juden in ihre Ghettos einwiesen - respektlos und schwer bewacht. Sichtlich nervös wurden die Soldaten, als sie mich, den Ausländer aus dem Westen, erblickten. Es wurde zu den Walky Talkys gegriffen und unauffällig irgend etwas reingenuschelt, was zur Folge hatte, dass eine ganze Heerscharr von Krawattenträgern aus dem Terminalgebäude stürmte, um mich in Augenschein zu nehmen.

Warten am Terminal
Schließlich wurde auch ich in den Hangar getrieben. Keine zwei Minuten waren wir da drinnen, schon gab es eine Schießerei zu hören, nicht weit außerhalb des Terminals. Nachdem uns unsere Pässe abgenommen wurden und unser Gepäck beschlagnahmt wurde, drängte man uns weiter, hinein ins Terminalgebäude.
Drinnen wurde mir sogar meine Geldtasche, meine Notizbücher und sogar mein Fotoalbum mit Bildern meiner Familie entwendet. Gleich darauf wurde ich durch die erste Sicherheitskontrolle geschleust. Hindurch durch den Metalldetektor, weiter zur ersten Leibes Visite. Inzwischen wurde meine Geldtasche, mein Fotoalbum und mein Notizbuch kopiert. Das ging mir dann doch zu sehr ins private und ich begann mich darüber zu beschweren, was zur Folge hatte, dass sich zwei schwer bewaffnete Soldaten neben mich stellten und mich bei jeder Bewegung mit ihren Blicken wieder züchtigen wollten. Sogar aufs Klo begleiteten sie mich. Selbst wenn ich im Sitzen meine Beine überkreuzte, zuckten sie nervös auf und umklammerten ihre Waffen etwas fester. Und all das nur, weil ich mich in sanfter Stimme und höflich über das doch sehr intime Eindringen in meine Privatsphäre beschwert habe. Mein Gepäck wurde ausgepackt und jedes einzelne Hemd mit Sprengstoffdetektoren abgetastet.
Im Verhörraum wurde mein Paß immer wieder aufs Neue kontrolliert und immer von einem anderen. Ich musste jede Frage peinlich genau beantworten und alles was ich sagte wurde genauestens erfasst und dokumentiert. Über jede Telefonnummer in meinem Notizbuch musste ich Rechenschaft ablegen. Sogar die Nummern von meiner Großmutter wurde in meine Akte eingetippt. Ich hatte keine Wahl. Wenn ich nach Gaza wollte, musste ich kooperieren. Deshalb machte ich da auch keinen Aufstand, obwohl es doch ein sehr intimes Eindringen in meine Privatsphäre war. Ich nahm es hin. Nach etwa sechs Stunden wurde mir gesagt, dass ich nun nach Gaza reisen dürfte. Ich nahm meinen Rucksack und machte mich fertig. Wie ich gehen wollte kamen ein Polizist, begleitet von zwei Soldaten, backte mich am Arm und führte mich hinaus. Allerdings wieder hinaus zur ägyptischen Seite. Auf die Frage was jetzt los sei, setzte mich der Polizist unsanft auf einen Stuhl, richtete sich vor mir auf, stellte seinen Fuß auf den Stuhl und bedrohte mich mit geballter Faust und ausgestrecktem Finger. Er sagte: „Don’t ask why! Just accept our order!“
Das war mein kurzes, aber doch sehr intensives Erlebnis mit Israel und deren Vorstellung von Frieden. Im Libanon, in Syrien, in Jordanien und in Ägypten machte ich immer wieder die Erfahrung, dass man Respekt vor der jüdischen Religion habe und Respekt vor allen Religionen. Schließlich seien wir alle Brüder und die Kinder Abrahams. Alle stammen wir von einem Manne ab. Das ist ein tiefer und ehrlicher Glaube, den alle Muslime teilen. Das heilige Land, Al Quds, Jerusalem sei ein Land für jedermann. Willkommen für Jedermann in Jerusalem. Es sei nicht ihr Land und auch nicht unseres. Es ist das Land aller! Keiner habe das Recht dieses Land für sich zu beanspruchen. Nicht wir, aber auch nicht die Juden.