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2004-09-06 Kunst am Bau Ein Bilderbogen Als besondere Art historischer Zeugnisse gelten öffentlich angebrachte Bildproduktionen und Plastiken. Die Interpretation der Wandbilder im öffentlichen Raum Villachs erlaubt es, gesellschaftspolitische Strukturen der vergangenen Jahrzehnte herauszuarbeiten. Ausgehend von der Grundthese, dass diese künstlerischen Darstellungen in erster Linie als politische Stoßrichtungen und somit als soziale Phänomene zu verstehen und erklären sind, können solche Kunstproduktionen auch für den Villacher Raum gemäß dieser Prämisse analysiert werden. Meist handelt es sich um Bilder und Bildkürzel, die nicht aus dem privaten Alltag kommen; ihre Botschaften bzw. die Formensprache zielen letztlich doch auf diesen, indem gemeinschaftliche Wertvorstellungen und Ziele vermittelt werden sollen. Es muss nach der gesellschaftlichen Funktion gefragt werden, welche die Bilder in einem bestimmten Lebenszusammenhang zu erfüllen haben. Kunst gehorcht keinen außergesellschaftlichen Gesetzen, sondern entspringt immer aus bestimmten politischen und sozialen Interessenslagen. Kunst darf vom sozialen Ganzen nie isoliert betrachtet werden, ein wichtiger Zugang ist dabei immer die Erörterung der Funktionen von bildnerischen Produktionen: sind sie Mittel zur Wirklichkeitsbewältigung, stehen sie als Symbol, Repräsentationsmittel und/oder Informationsträger. Inwieweit sollen mittels „Kunst am Bau" Normen und Werte transportiert werden, die einer bestimmten historischen Situation entsprechen? Symbole der „deutschen Volksgemeinschaft" Das Plastikenensemble des Peraublocks aus der Zeit des Nationalsozialismus (auf die Meister-Friedrich Straße weisend) entspricht dem Typus der Ständebilder. In ihrer politischen Aussage beinhalten die vier Ständetypen nicht zuletzt wegen der martialisch-grimmigen Gestaltung einen autoritätsverstärkenden und allgemeingültigen Charakter. Das Ensemble repräsentiert keine Personen in ihrer Individualität, sondern soziale Stände, wie sie in der völkischen Ideologie ihre Entsprechung finden. Das Ensemble unterstrich dabei die von den Nazis in allen Lebenslagen geforderte Wehrbereitschaft der „deutschen Volksgemeinschaft“. Als typisch darf die Darstellung der Frau als Gebärende, als Mutter - eine Allegorie der Fruchtbarkeit - angesehen werden. Verstärkt wird die Wirkung dieser Fruchtbarkeitssymbolik einerseits durch die Darstellung des Kindes in seiner Nacktheit, andererseits weist das lange Kleid der Mutter auf ihren erdverbundenen Bezug zur bäuerlichen Gesellschaft hin, zur Mutter Erde. Die Rolle der Frau reduzierte sich im Nationalsozialismus auf ihre Funktion als Mutter. Unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde die Mutterschaft zur Lebensaufgabe von Frauen hochstilisiert. Mutterschaft war keine private Angelegenheit mehr, sie wurde sozusagen zur Staatsaufgabe erhoben. Die Nationalsozialisten sprachen in diesem Zusammenhang oftmals vom „Geburtenkrieg" und der „Geburtenfront". Pseudoreligiöse Formeln wie „heilig soll uns sein jede Mutter deutschen Blutes" wurden bemüht, um Frauen zum Gebären anzuhalten und den Nationalsozialismus verstärkt als politische Religion erscheinen zu lassen. Einem weiteren Repräsentanten der nationalsozialistischen „Volksgemeinschaft" entspricht, obwohl ursprünglich ein sozialistisches Leitsymbol, der Sämann aus dem ständebildlichen Ensemble in der Perau. Die naturmystische Schollenromantik des NS-Regimes findet hier ihren Ausdruck, das bäuerliche Leben am Lande als Gegenwelt zur betriebsamen, unüberschaubaren Stadt. Der Landwirt hatte ebenso wie die Mutter seinen fest gefügten Platz in der NS-Volkstumsidelogie. Eine zeitlose, mythisch verklärte Allegorie auf die Fruchtbarkeit (nicht zuletzt deshalb konnte der Sämann auch nach 1945 als Symbol für ein identitätsstiftendes, im Aufbau begriffenes Österreichbild eingesetzt werden). Im Nationalsozialismus stand der Sämann für den auf Kriegswirtschaft ausgerichteten Reichsnährstand. Ein Beispiel für die Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche findet sich auch in der nationalsozialistischen Agrarideologie, wo zunehmend von der „Ernährungsfront" die Rede war. Die Entlehnung militärischen Sprachschatzes für sämtliche zivile Bereiche findet in den Figuren des Perau-Ensembles seine künstlerische Entsprechung. Für die nationalsozialistische „Arbeitsfront" stand der Schmied als immerwährendes Symbol. Ein Vertreter des industrialisierten Handwerkes, der mittels traditionellem Werkzeug, dem Hammer, Zeitlosigkeit und Dauerhaftes suggerieren sollte. Als wichtigste Person in einer auf Krieg ausgerichteten Gesellschaft galt der Soldat. Auch im Perau-Ensemble kommt dieser Figur eine zentrale Bedeutung zu, indem sie das Schild mit den Jahreszahlen der Errichtung des Wohnblockes vor sich hält. Das martialische Kunst am Bau Ensemble in der Perau entsprach dem von den Nazis propagierten „gesunden Volksempfinden", wobei die herrschenden Widersprüche zwischen Mythenbildung und Realität nicht übersehen werden dürfen. Der nationalsozialistischen Mutterideologie, der in Österreich bereits der Austrofaschismus gute Vorarbeit geleistet hatte, standen tausende und abertausende Zwangssterilisationen und Ermordungen von Frauen und Müttern durch das NS-Terrorsystem gegenüber. Die vom Regime verkündete Blut und Bodenmythologie bzw. Bauernromantik stand in Wirklichkeit im krassen Gegensatz zu einer forcierten Technisierung der Landwirtschaft. Letztendlich entmachteten landwirtschaftliche Zwangsverordnungen den vielbeschworenen „freien Bauern deutscher Scholle". Der auf Kriegswirtschaft ausgerichtete nationalsozialistische Industrialisierungs- und Technisierungsprozess zerstörte viele Mythen; neue Mythenbildungen wurden notwendig, deren Umsetzung nicht zuletzt Aufgabe der Kunst war. Nationales Melodram - Heimkehrerschicksale Ein Sinnbild der ersten Nachkriegsjahre verkörperte der Kriegsheimkehrer, wie er auch bei der künstlerischen Gestaltung von Schneeweis am Gebäude Ludwig-Walter-Straße / Ecke Ossiacher-Zeile seine Umsetzung fand. Die Heimkehr des irregeleiteten Soldaten aus der Kriegsgefangenschaft war eines der immer wiederkehrenden Motive, mit der die Republik Österreich unmittelbar nach dem Krieg (im September 1947 treffen die ersten Heimkehrer aus der russischen Gefangenschaft ein) einen nationalen Konsens in der Bevölkerung zu erreichen suchte. Die Soldaten wurden dabei zu pflichtbewussten Opfern eines ungewollten Krieges hochstilisiert; ebenso wie das offizielle Österreich, unter Berufung auf die Moskauer Deklaration vom Oktober 1943, nur allzu gerne bereit war, sich als erstes Opfer der Aggressionspolitik von Hitler auszuweisen. An einer Heimkehr der vielen Emigranten, die vor dem nationalsozialistischen Terror ins Ausland geflüchtet waren, bekundete Österreich bedeutend weniger Interesse. Diese Geisteshaltung hielt Alois Buttinger, ehemaliger Leiter der Villacher Kinderfreunde und politischer Emigrant, in seinen in den USA geschriebenen Memoiren fest. Anlässlich einer Reise in das Nachkriegsösterreich sah er sich in Villach mit folgender Reaktion konfrontiert: „Now that the bad times are over, which Louis spent safely in England, he should not think that he can come back and skim the cream of the top" (BUTTINGER: S. 385). Betrachten wir das Fassadenbild von Schneeweis näher, so ist auffällig, dass sich der aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrende Mann schützend, wie ein Mantel über seine Familie breitet. Die Heimkehr als Metapher für die Rückkehr zur Normalität. Die Spielzeugeisenbahn in der Hand des Buben kann als Symbol für die langersehnte Ankunft des Heimkehrers am Bahnhof verstanden werden; ein propagandistisch immer wieder strapazierter Ort des Bangens, des Wartens, der Freude und Trauer. Die Soldatenmütze auf seinem Kopf ist typisch für unzählige Heimkehrerdarstellungen in Österreich. Geschichtsmythos - Wiederaufbau Die angesprochene Rückkehr zur Normalität des Alltags, d.h. im Österreich der Nachkriegszeit die Konzentration der Kräfte zum Wiederaufbau spiegelt sich im Sgraffitowandbild von Bestereimer in der Friedensstraße / St. Magdalenerstraße aus dem Jahre 1955 wieder. Auffällig ist dieselbe Grobschlächtigkeit der Figuren, wie jene des Peraublocks. Der knöchellange Rock der Frau und die klobigen Schuhe lassen auch hier auf eine vom Künstler beabsichtigte Erdverbundenheit seiner Figuren schließen. Es ist dies ein klassisches Wandbild, das die gemeinsamen Anstrengungen der Bevölkerung in den Wiederaufbau Österreichs in den Mittelpunkt seiner Aussage stellt. Über den Wiederaufbau definierten sich breite Schichten der Bevölkerung; eine Erfolgsstory die nicht unwesentlich zum neuen Österreichpatriotismus beigetragen hatte. Im Sgraffito erkennen wir links unten die Ruinen einer Wohnanlage, zugleich zeigt der Mann seiner Frau und Kind die neu geschaffenen Häuschen im Grünen. Auch das Wandbild im Stiegenaufgang des Villacher Hauptpostamtes aus dem Jahre 1950 von Rippel bedient sich altbewährter Symboldarstellungen der Nachkriegszeit: Arbeit, Familie Gemeinschaft. Während im Hintergrund gemeinschaftlich der Schutt des Krieges weggeräumt wird, steht im Mittelpunkt der Darstellung die Familie. Auch hier bildet der Mann mit aufgekrempelten Ärmeln, der Familienvater, die zentrale, aktive Figur. Mit vereinten Kräften (u. a. durch Aussöhnung der politischen Lager und Integration der Nationalsozialisten) schreitet Österreich über die Trümmer des Krieges hinweg in eine verheißungsvolle, sonnige, aber nach wie vor patriarchalische Zukunft. Wie diese Zukunft dann tatsächlich für jedermann auszusehen hatte, konnte man von einer weiteren Kunst am Bau – Arbeit des Villachers Schneeweis 17 Jahre später in St. Leonhard (Neue Heimat, 1967) ablesen. Ein gewisses Maß an Wohlstand hatte sich eingestellt. Man widmete sich einmal mehr lokalen Bräuchen; die Jugend bzw. die Kirche traten dabei als Träger alter Traditionen auf. Die christliche Brauchtumspflege wird von einem etwas abseits stehenden modernen, aber auch biederen Ehepaar verfolgt. Die Ideologie der Häuslichkeit fand nach Jahren Krieges, des Elends sowie einer ungewissen Zukunft auch in der Ehe seine Entsprechung. Die eigenen vier Wände als Ort familiärer Behaglichkeit, wo auch die traditionellen Geschlechterrollen zwischen Mann (Familienerhalter) und Frau (Hausfrau) unverrückbar festgeschrieben blieben. In Wirklichkeit repräsentierte das abgebildete Pärchen aber auch viele negative Eigenschaften der “Wirtschaftswunderkinder”: Desinteresse, Egoismus, Spießertum und Konsumfreude. Das angepasste Paar zeugt nicht nur vom gesellschaftlichen Verständnis des Künstlers, es charakterisiert auch jene Generation, gegen die 1968 mancherorts Sturm gelaufen wurde; das Aufbegehren gegen eine muffige, verlogene Gesellschaft, geprägt von Ignoranz und Verdrängung. Das Jahr 1968 brachte schließendlich eine Zäsur in vielen Lebensbereichen mit sich, einschließlich der Kunst. Literaturauswahl: Louis Buttinger, A Letter For My Children. Autobiographical Notes and Commentary, o.O. 1980.
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