2008-12-06
Kein Gedöns
Ein not-to-do-Dramulett
(Später Nachmittag in einem kleinen, überschaubaren Kaffeehaus. Die Sitznischen für zwei bis drei Personen bieten lediglich ein Mindestmaß an Intimität. Die Nachbartische können problemlos mithören, wird man lauter, hat das ganze Lokal was davon. Im hintersten Eck zwei circa Dreißigjährige. Sie Martini bianco, er Latte macchiato. Mit Entschlossenheit tönt’s aus ihrem Munde.)
…und deshalb Georg, aber nicht nur deshalb, deshalb habe ich die Schnauze voll von dir. Aus. Fertig. Basta. Verschwinde aus meinem Leben. Mach dich selber fertig.
(Sie nimmt einen Schluck Martini, Georg schluckt einfach so, stiert Löcher in den Milchschaum und drückt auf die Tränendrüse. Sie bleibt hart und setzt etwas lauter nach.)
Ach jetzt kriegt das Mannsbild feuchte Augen, jetzt wird der Gefühlspflock weich, jetzt will er zu einer Jammersuada anheben, kund tun, dass er es auch nicht leicht habe, alle gegen ihn und er doch so sensibel wäre… last exit Heuchelhammer, was? Vergiss es, freunde dich lieber mit der Situation an und mach nicht so ein Gedöns drum, ein Trömel wie du wird noch öfter abgesemmelt werden.
(Sie nimmt noch einen Schluck, knallt das leere Glas auf die unbedeckte Marmortischplatte, bedeutet dem auf Erkundungsflug im Lokalraum kreisenden Kellner nonverbal aber unmissverständlich Nachschub zu liefern. Dann nimmt sie ihr Gegenüber ins Visier und wird wiederum etwas lauter.)
Na Gesprächspfuscher, reicht’s wenigstens für eine verbale Entgegnung oder feilst du im Geiste schon an den Formulierungen für den Versöhnungsbrief. Da ist nichts mehr zu versöhnen und zu verteidigen hast du sowieso nichts, du bist schon verloren, du wirst immer verlieren, du erbärmlicher Stotterotto.
(Sie setzt das leere Glas noch einmal an, vergeblich, und lässt es wieder auf den Tisch donnern. Verhalten aber dennoch deutlich vernehmbar meldet sich Georg zu Wort.)
Du schwummlige Blanuse, du klandernde Treuze, du seblender Prutz, nein, du bist wahrlich nichts für Trömel.
(Sie gibt sich leicht überrascht aber nicht verunsichert.)
Hörthört, wo hast du das denn aufgeschnappt? Im Kurs Babytalk für Möchtegernväter?
(Georg hält sich an der Tischkante fest und bemüht sich nicht lauter zu werden.)
Dein Klüngeltonhort ist dein Zickenstolzzertifikat. Deine Mundwinkelschenkel weisen den Weg nach unten.
(Georg blickt kurz auf ihre Mundwinkel, dann sucht er ihre Augen und spricht klar und deutlich.)
Du bist gemein-mein-mein!
(Die wohl vom Sprecher intendierte Nachdenkpause erfolgt nicht. Sie wedelt dem Kellner noch einmal und erwidert mit aufheulendem Auftakt.)
Geradezu poetisch, wenngleich doch Schwachsinn! Wobei, womöglich hast du wenigstens Poesiepotenzial. Tue Minne und bedichte mich!
(Der Kreis der Zuhörer erweitert sich. Das halbe Lokal konzentriert sich auf das Geschehen im Eck. Georg versucht eine ihrer Hände zu erwischen, sie zuckt zurück. Der Kellner nähert sich. Georg noch immer sottovoce.)
Dein Schlankbauchschinkenwahn gibt dir Selbstsicherheitsgarantie.
(Der Kellner serviert das gewünschte Gut, sie repliziert vermeintlich anerkennend.)
In der Tat, bravo, Schmachtungserfolg!
(Sie stößt mit sich selbst an, nimmt einen kräftigen Schluck und fügt höhnisch hinzu.)
Weiter so, du Schmerbauchmuskelschmusekater!
(Sie hat ihren Spaß, Georg brodelt.)
Deine Denkzettelwirtschaft spitzt auf mein Nudeldefizit.
(Sie hebt wieder aufheulend an.)
Gut erkannt, 1 A Analyse, nur was dagegen zu tun fiel dir bisher nicht ein, was du zerfledderter Wellensittenstrolch.
(Kurze Pause. Neugierige Köpfe drehen sich in Richtung Ecktisch. Dann bricht es eruptiv und aggressiv aus Georg heraus.)
Du dumme Tätscheltrutsche, du Lifestyleschabracke, du…
(Nun hat das Gespräch Lokalunterhaltungslautstärke erreicht. Sie reißt das Ruder wieder an sich und wechselt in den Befehlston.)
Oha, das geht jetzt aber in die falsche Richtung, mach mal Kinnladenschluss du handzahmer Kuschelschurli.
(Der Kellner lehnt sich mit gezücktem Kugelschreiber und Notizblock an einen in Sicherheit aber beobachtungstechnisch gut gelegnen Tisch. Georg lässt sich nicht beirren und wird seinerseits lauter.)
Du spröde Mittelscheitelstreichelkuh, du Glattrasiertfetischierte, du...
(Sie unterbricht und steuert schlichtend und augenzwinkernd wieder auf eine andere Gesprächsebene zu.)
Hallo, hallo, was bitte gibt’s gegen die Glattrasur einzuwenden, hä? Hast du etwa gerne Haare auf Zunge und Zähnen, stehst du womöglich auf Wildwuchs, ausgerechnet du breiiger Löffellaschi?
(Der Koch gesellt sich zum Kellner. Georg gerät in Rage.)
Verdorbener Birnenarsch, entgeistigte Pflaume, marode Pfirsichbrustschnepfe, entgleiste… äh…
(Georg ringt nach Luft und Worten, sie nimmt einen Schluck. Dann setzt sie zum Gegenschlag an.)
Na jetzt krieg dich aber wieder ein du Sittenwächtereiermann. Du glaubst wohl deinen Verdrusssprenkler auf alle richten zu dürfen. Du Dünkeldepp meinst wohl mit deinem Jahreshoffartfreischein jede Freudenblase platzen zu müssen, hm?
(Georg hat wieder Luft und Worte.)
Unkeusche Schmolllippenschnute, herrische Fingerschnippschnitte, ruchlose Krawallwachtel.
(Sie aber hat mehr Luft und Worte und sie kann sogar noch lauter werden.)
Na, jetzt ist aber genug Japsfrettchen. Hör gut zu mein Ex-Freundchen deine Sendungsbewusstlosigkeit und dein Komacharme gepaart mit deiner Ichversehrtheit machen dich zum absoluten Stumpfschnösel und Morallulatsch.
Dein dauerndes Geschäftigkeitsdingeling sucktsucktsuckt
Dein Standbeinbruch in Gefühlsbelangen nervtnervtnervt
Deine Vorstellungsgefälligkeit ist herab-lass-end
Deine Antlitzspitzfindigkeiten vermessenvermessenvermessen
Der Beziehungsachsenbruch ist voll-zo-gen
Du bist ein Schmächtling und Schmachter
Ein Bewältiger und Beweiser
Du hast Sachschädlingsbefall
Du bist ein Sekundenschaf, ein Faulstier
Du hast einen Dauerhänger und einen Schlaffsack
Dein Pannensteifen braucht einen Schraub-, oder Spazier-, aber keinen Eierstock.
Mein Rock ist steif, deine Hose tot.
(Sie steht auf und kommt zur finalen Replik.)
Nein danke, Waschlappen habe ich schon genug!
(Sie setzt zum Abgang und letzten Satz an.)
Ab in die Singlewüste mit dir du Schablonenblondschopf und Paradebeispielhohlkopf.
(Georg hält sich die Hände vors Gesicht. Die Lokalgäste applaudieren artig. Der Kellner nähert sich dem Ecktisch und fragt höflich.)
Die Rechnung geht auf Sie, oder?
Mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Markus Köhle