kärnöl-Logo Independent Carinthian Art & Cult
Sat Apr 20 2024 17:24:49 CET
ÜBERBLICK
Aktuell
Glossen
+Alle Beiträge
Autoren
Veranstaltungen
Links
Kontakt
LESERFORUM
Leserbriefe
Reaktionen

Globale Bildung im Bündnis für Eine Welt

r Globale Bildung
im Bündnis für Eine Welt

Krise - Themenschwerpunkt 2009

r Unser aktueller Themenschwerpunkt

www.karawankengrenze.at

r Unser Projekt gemeinsam mit dem Verein Erinnern

Nationalsozialismus in Villach

r Hans Haider:
"Nationalsozialismus
in Villach"
(pdf downloaden)

Jüdinnen und Juden in Kärnten

r Hans Haider:
"Jüdinnen und Juden
in Kärnten"
(pdf downloaden)

Pizzakarton Sgt kärnöl´s Lonely Hearts Club Band

r Nähere Informationen zum schönsten Pizzakarton der Welt

WASSER? - Jetzt gehts um die LEITUNGSKOMPETENZ!

r WASSER?
Jetzt gehts um die LEITUNGSKOMPETENZ!

Bildung - Themenschwerpunkt 2007

r Unser Themenschwerpunkt 2007

(c) Arbeit

r Alle Informationen zum Themenschwerpunkt Arbeit

(c) Eigentum

r Unser Themenschwerpunkt Eigentum
r Überblick über alle Themenschwerpunkte

Markus Köhle

Reaktionen auf den Beitrag

Print Version

2006-05-01

Die Arbeit hoch!

Cafe Creme (400 Millimes) vor Holger, Sonne über Holger, Arbeitsplatz neben Holger! Holger Beuschl befindet sich in einem der typischen, ausschließlich von Männern frequentierten Straßencafes, die den ganzen Tag über voll belegt sind, und von denen es hier so viele gibt. Was ja auch kein Wunder ist, da über 20 Prozent der Bevölkerung, die sich wiederum aus über 50 Prozent aus unter 20jährigen zusammensetzt, offiziell arbeitslos ist. Der Himmel zeigt sich Holger heute erstmals von seiner ihm liebsten, ungebrochen blauen Seite. Mutter Sonne wärmt schon ganz akzeptabel, trotzdem niest er in unregelmäßigen Abständen, hat kalte Füße und einen hohen Taschentuchverbrauch. Klar, er ist sexuell nicht ausgelastet, da schon über zwei Wochen clean, atmet nun bereits seit sieben Tagen schwere afrikanische Luft ein, hat seine Ernährung radikal tunisiert und der Körper schaltet nun langsam von Ausnahmezustand auf Gewohnheit um, was eben erwähnte Nebenwirkungen zur Folge haben dürfte, die in Kauf zu nehmen sind. Wichtiger ist für Holger, dass schlaftechnisch alles bestens bestellt ist. Zwar war ihm die Matratze zu kurz, auch zu schmal, da er es ja seit Jahren gewohnt ist, sich meist allein weidlich in seinem Doppelbett zu wälzen, doch sie ist hart und das ist gut für Holger. Traumbilder treten bereits auf und verschwinden wieder, kaum merkliche Spuren hinterlassend. Die Traumwelt ist meist noch eine europäische, das Personal jedoch setzt sich zunehmend auch aus neuen Bekanntschaften zusammen. Der Stoff, aus dem die Träume sind, beginnt sich allmählich zu ändern, zu assimilieren. Sein Körper auch, der Magen nimmt es ihm bisher noch nicht übel. Ein Kompliment für die tunesische Küche. Mahlzeit!
Wissend, dass erst Montag ist und er sich im Laufe der Woche bei der Bibliothek melden sollte, wo ihm eine Einführung in die verantwortungsvolle Tätigkeit der Schlagwort - Katalogisierung gegeben werden sollte, einer Aufgabe, der er sich künftig zwei mal die Woche widmen sollte, eilt er trotzdem schon heute dort hin und es ist ein Tunesien-Anfängerfehler zu glauben, irgend jemand würde dort bereits auf ihn warten, bzw. überhaupt von ihm wissen. Demzufolge kann auch noch keine wie auch immer geartete Arbeit für ihn gefunden werden. Doch Holger hat einen riesen Spaß in der Portierloge, er versteht kein Wort von dem, was die fünf gemütlich beieinander sitzenden netten Menschen verschiedenster Altersstufen versuchen, ihm mitzuteilen. Sie verstehen auch nichts von seiner Seite, doch zu lachen haben alle etwas. Ein besonders aufmerksamer, filzhuttragender, darunter bereits graumelierter, Herr opfert sich schließlich auf, jemanden der Holger und den Holger verstünde herbei zu schaffen und zaubert Afef aus seiner traditionellen, roten, sicherlich maßgeschneiderten Kopfbedeckung hervor. Afefs Telefonnummer lautet 71216421, sie ist zarte 23 und unterrichtet Englisch. Etwa in dieser Reihenfolge gibt sie dem hechelnden Holger diese Informationen. Holger findet sie recht direkt und nicht uninteressant, aber auch sie hat natürlich keine Ahnung, was er hier zu suchen hat, bzw. was er hier für eine Arbeit suchen will.
Denn es gibt kaum deutsche Bücher, "Berlin Alexanderplatz", "Blechtrommel", "Buddenbrooks", "Zauberberg", alles längst l00.000mal erfasst und Neues komme selten rein, momentan eher gar nicht, erklärt eine Bibliothekarin auf Englisch. Afef steht diensteifrig zur Seite und ein weiterer Angestellter will Holger auf ein paar Oliven mit Harissa einladen.
Tunesien ist das zweitgrößte Exportland der Welt für Oliven, auf etwa 30 Millionen Bäumen reiften beispielsweise im Jahr 1990 über 650.000 Tonnen Oliven, aus denen 240.000 Tonnen Öl gewonnen wurden und nicht wenige werden auch einfach so verzehrt. Hinter einem Bücherregal, auf der Straße oder sonst wo und besonders großzügig wird eben auch mit Harissa umgegangen, einer feurigen Paste auf Pfefferschotenbasis. Holger konnte sich dem Angebot kaum entziehen, auch nicht dem Afefs, die ihm unbedingt mindestens noch die Englischabteilung zeigen wollte.
Gemeinsam passieren sie anschließend erneut die Portierloge, dort wird - Afef übersetzt dankenswerterweise - festgestellt, dass er, Holger, zu jung für einen Bibliothekar, aber alt genug, um zu heiraten wäre und natürlich wieder ordentlich gelacht. Holger lacht mit und verspricht erst Arabisch lernen zu wollen, danach wäre er ohnehin zu alt für alles. Das kommt gut an und vielleicht, so malt sich Holger aus, sitzen sie in Zukunft zwei mal die Woche zu sechst in der Portierloge und vielleicht, so mutmaßt er, rufe ich Afef an. Dann schnurrt er ab und trägt in das Arbeitsprotokoll Tagebuch ein:

T-T-E # Zweiundzwanzig

Es ist ein angenehmes Gefühl zu wissen, dass du etwas geleistet hast und noch angenehmer, wenn du merkst, dass du hier schon sehr bald genügend geleistet hast. Um nur ja keine Umstände zu machen, werde ich mich strikt an diese implizite Forderung halten, denn als Fremder und Praktikant ist es meine Pflicht nicht anzuecken. Das Betätigungsfeld nur nicht zu eingeschränkt sehen, diese Lektion habe ich heute schon gelernt und Afef hat mir da ein gutes Beispiel gegeben. Sie beteuerte abschließend, dass ich ruhig anrufen sollte, so ich noch irgendwelche Fragen hätte oder sonst Hilfe bräuchte und das fand ich denn doch toll. Denn von den Fragen, die ich ursprünglich hatte, konnte zwar keine auch nur ansatzweise gelöst werden, doch ich werde mir mit Sicherheit neue einfallen lassen und sei es auch nur, um auch diese nicht beantwortet zu bekommen, dafür aber eine nette Stunde mit Afef verbringen zu können. So viel zur tunesischen Freundlichkeit.

Und zu wenig von Sophia-Maria, denn ihre Zeit läuft aus, sie tretet gerade ein ins gemeinsame Übergangsheim und so ruft Turteltaube Holger denn freudestrahlend: "Hallo Bleichgesicht! Lass uns die Sonne anbeten", in den bambusbewachsenen Innenhof hinunter, dass es nur so schallt, hat sich als Sitzunterlage einen Medina-Plan ausgebreitet, um sich die Gassen endlich einzuprägen, seine Sonnenbrille befindet sich dort, wo sie hin¬gehört und er zählt Antennen und Satellit-Empfangsschüsseln auf den Nachbardächern. Es hätte 13 Uhr geschlagen, so hier Kirchturmuhren gewesen wären.
Holgers erster und ihr vorletzter Arbeitstag war bereits gelaufen, die verbleibenden Stunden dieses Montags wollten anderweitig genützt werden oder bloß nur verstreichen. Die Sonne tat ihren Teil, nun lag es an ihnen und auch ihnen war nicht nach Faulenzen zumute.

T-T-E # Vierundzwanzig

Um an der Stelle fort zu fahren, wo vor zwei Tagen abgebrochen werden musste, da ich zu einer schlüssigen Schreibe nicht mehr im Stande, weil wohl zu aufge- und verdreht war, ist gleich fest zu stellen, dass da die romantische Ader in mir platzte und unbedingt zu Papier gebracht werden wollte. Zu frisch waren die schwülstigen Sätze D'Annunzios, die schmachtenden Schilderungen dieses dionysisch lebenden Dichters in mir, brandeten in unregelmäßigen Abständen auf und schwappten denn am Sonntag endgültig über. Mittels Aufbrechen der Syntax, scheinbar loser Aneinanderreihung von Impressionen und kalkuliertem Chaos, versuchte ich zeitgemäß postmodern, avantgardistisch ist ja nichts mehr, ein inexistentes Gefühl in Worte zu fassen. Ob es gelungen ist, weiß ich nicht, mag sein, für mich ist mein Versuch geglückt, wenn Authentizität dahinter vermutet wird. Das fiktionale Fabelwesen wird fürderhin fix hin und wieder erscheinen, zumindest in meinen Träumen. Nahrung zur Belebung dieser Phantasien bietet die Umwelt nur begrenzt, eingeprägte Erinnerungen allerdings sind ein unerschöpflicher Fundus, zumal durch die Zeitverschiebung wunschgemäß euphemisiert und übrigens: Heute habe ich die blonde Weisheit penetriert! (Ahm, ja...)

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Aus Markus Köhle: „Couscous a la Beuschl“ – Episodenroman
Kyrene Verlag, 2004
ISBN: 3-900009-02-3

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

Keine Reaktionen vorhanden

Reaktionen auf andere Beiträge

.

ZUM NACHLESEN

Freitag, 15. März 2024
r OLTA - Das Hufeisenmodell
Arbeiter:innenheim der KPÖ Villach, Ludwig-Walter-Straße 29

Freitag, 23. Feber 2024
r DEMO GEGEN RECHTS - DEMO PROTI DESNO
Klagenfurt Stadttheater

Donnerstag, 8. Feber 2024
r Zivilcouragetraining und queerfemeinistisches Argumentationszirkeltraining
mit anschließendem Vernetzungstreffen/ navrh možnost zu povezovanje
organisiert von/origanizirano od: Verein GemSe, KD Barba, schau.Räume
schau.Räume Villach, Draupromenade 6

Donnerstag, 18. Jänner 2024
r Filmvorführung "Kärnten is' lei ans"
Arbeiter:innenheim der KPÖ Villach, Ludwig-Walter-Straße 29

Samstag, 21. Oktober 2023
r Das ist uNser Haus!
Kleine Geschichte der Hausbesetzungen in Kärnten/Koroška Veranstaltet von: Squats statt Kärnten
schau.Räume, Draupromenade 6, 9500 Villach/Beljak

Mittwoch, 6. September 2023
r DIE GEMOCHTEN
Lesung und Buchpräsentation von Lydia Mischkulnig
tio pepe, Kaiser-Josef-Platz 3, 9500 Villach

Mittwoch, 23. August 2023
r SPÄTLESE
Lesung und Buchpräsentation von Engelbert Obernosterer
tio pepe, Kaiser-Josef-Platz 3, 9500 Villach

Freitag, 26. Mai 2023
r Geld
Myzel, Lederergasse, 9500 Villach

Freitag, 2. Dezember 2022
r Partnerlook
Lesung und Buchpräsentation von und mit Ludwig Roman Fleischer.
tio pepe, Kaiser-Josef-Platz 3, 9500 Villach

Donnerstag, 23. Juni 2022
r Weana Gschicht und Weana Geschichtln - Fom End fon da Manachie bis häht
Die Geschichte Wiens auf Wienerisch. Lesung und Buchpräsentation von und mit Ludwig Roman Fleischer
tio pepe, Kaiser-Josef-Platz 3, 9500 Villach

r Weitere Dokumentationen