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Stephan Jank

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2004-12-16

Nein zum Geh' danken! Jahr 2005

2005 jähren sich die Gründung der II. Republik zum 60. Mal, die Unterzeichnung des Staatsvertrages zum 50. Mal, der österreichische EU-Beitritt zum 10. Mal, die Gründung des ORF zum 50. Mal und so weiter und so fort. Das, aus diesen Anlässen zu erwartende Gedenkmassaker steht unter der Regie des schlechten Schauspielers Morak und seiner Sektion 1/4/b des Bundeskanzleramtes. Den Titel der Inszenierung aber lieferte der Bundeskanzler Schüssel höchst selbst. "Gedankenjahr 2005" soll dieser, 12 Monate dauernde Wahlkampfauftakt für Schüssels Wiederwahl 2006 heißen.

Es war meines Wissens nach übrigens Armin Thurnher, Chefredakteur des Wiener Falter, der in seinem Kommentar Der Wir-Koffer als erster das sprachliche Raffinement dieses Neuwortes in vollem Umfang erkannte: "Geh' danken! JA!! " Wie heißt eigentlich der Spin-Doktor, dem es gelungen ist, den vermutlichen ÖVP-Wahlkampfslogan für die Nationalratswahl 2006 bereits im Jahre 2005 im österreichischen Sprachschatz zu implementieren und zum (Un)Wort des Jahres zu machen? Ich jedenfalls will's gar nicht wissen, zumindest net so genau.

Viel, viel mehr interessiert uns alle, was wir unter dem eigenartigen Titel "Gedankenjahr" im nächsten Jahr so alles zu erwarten haben. Nun, das steht bereits jetzt schwarz auf weiß im Editorial der eigens dafür eingerichteten website www.oesterreich2005.at: "Eine über das ganze Jahr 2005 angelegte Serie von Veranstaltungen [...] wird den Österreicherinnen und Österreichern, aber auch unseren Nachbarn in- und außerhalb der EU die Rolle unseres Landes im Herzen des Kontinents vor Augen führen." Allein beim Lesen dieses, an dumpfem Nationalismus kaum zu übertreffenden Zitates treibt es einem als Österreicher die blanke Schamesröte ins Gesicht. Und was hier wem vor Augen geführt, im Wortsinn also vorgeführt werden soll, kann in seiner ganzen Dimension zum jetzigen Zeitpunkt nur befürchtet werden.

In einer 400minütigen ORF-Sendung etwa wird Hugo Portisch einmal mehr "bisher unveröffentlichte Dokumente" zusammenschneiden und den Österreicherinnen und Österreichern sein kleines, dafür aber engbegrenztes Geschichtsverständnis von einem überfallenen, danach danieder liegenden, letztlich aber durch fleißiger, österreichischer Hände Arbeit wieder erstandenen Österreich ins traute Heim liefern. Oder anders ausgedrückt: "Wos homma denn mir ghobt noch'n Kriag? Praktisch nix!" Zum wie viel 1000sten Mal wird man wieder die Legende von der Opferrolle Österreichs im Nationalsozialismus hegen und pflegen, wird man vom Überfall Hitler-Deutschlands auf Österreich sprechen, wird von der Besetzung und nicht von der Befreiung großer Teile Österreichs durch die rote Armee sprechen, wird erst den Leopold Figl als den eigentlichen Befreier Österreichs feiern, wird die Entnazifizierung tatsächlich als eine solche halluzinieren und mit dem Jahr 1948 als abgeschlossen betrachten und die knickfreien, aber handfesten Bezugslinien genau zu diesem Nationalsozialismus bis tief hinein in die 70er Jahre tunlichst zu erwähnen vergessen. Und die Liste der Märchen, Legenden und Mythen, die sich alle mit bisher unveröffentlichten Dokumenten erzählen lassen, ist noch viel, viel länger.

Ein ganz anderer Aspekt der Wortwahl ist zwar weniger satirefähig, fördert aber das wahre Ausmaß der Bedrohung für das österreichische Geschichtsverständnis durch den zu erwartenden hurrapatriotischen Veranstaltungs-Overkill erst so richtig zu Tage. Wenn es nämlich 2005 etwas zu tun gäbe, dann wäre es ein Gedenken an Opfer, aber auch an Täter, ein Gewahrwerden der Tatsache gewissermaßen, dass Geschichte nicht passiert, sondern widerfährt und gemacht wird. Wenn wir in diesem Land etwas brauchen, dann so etwas, wie einen zumindest rudimentären Ansatz einer kollektiven österreichischen Gedenkkultur, eine Mahnung an alle sozusagen, dass das was ist, geworden ist, gemacht und durchgesetzt wurde und sich daher die Litanei von der Alternativlosigkeit dessen, was ist, als kapitale Ideologie entlarvt. Denn was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Aber genau das soll 2005 geleugnet werden. Denn der sprachliche Umzug von einem Gedenkjahr zu einem Gedankenjahr meint genau, was er sagt: Den Vollzug einer kollektiven Enthistorisierung, einer Ersetzung von Gedenken durch die Beliebigkeit postmodernen Denkens. Das, was 2005 unter der Regie dieser Regierung gefeiert werden soll, ist nicht mehr und nicht weniger als der Ausstieg aus der Geschichte.

Und so werden sie uns mit Tränen der Freude in den Augen vom endgültigen, ja vom gottgewollten Sieg der westlichen Gesellschaftsordnung über den Kommunismus berichten, werden aus dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus die Alternativlosigkeit des neoliberalen, globalisierten Kapitalismus ablügen, werden Live-Bilder mit unglaublicher Authentizität aus den ORF-Archiven holen, die die Durchschneidung des eisernen Vorhangs zeigen, werden den Alois Mock im Freudentaumel die Brigitte Ederer küssen lassen, weil sie endlich Wirklichkeit geworden ist: die Aufnahme in die echte, in die wahre, in die europäische Wertegemeinschaft. Endlich Mitglied in der Gemeinschaft der Konzerne und in der Gemeinschaft der Generäle.

Doch was sie mit ihren sogenannten Dokumentationen bewirken wollen, ist nicht etwa eine kritische Auseinandersetzung mit dem was ist, auf der Basis einer kritischen Betrachtung dessen, was war. Nein hier soll nicht Geschichte dokumentiert werden. Hier soll durch das triumphale Abfeiern von Jubiläen das, was ist, als die einzig mögliche aller Welten zelebriert werden. Hier soll die Erreichung eines naturphänomenalen Zustandes akklamiert werden, dem nicht zu entkommen ist, wie die Ratte dem Wasser nicht entkommt, in dem sie ertrinkt. Denn die von allen politischen Lagern in endlosen Litaneien abgebetete Alternativlosigkeit des real existierenden Kapitalismus, jenes, geradezu bis in die menschlichen Gene halluzinierten Gesellschaftssystems, lässt nur einen Schluss zu: Das Ende der Geschichte soll besiegelt werden. Die eigentliche Bestimmung der Menschheit hat uns alle ereilt. Endlich zählt nur mehr das, was wirklich zählt. Nicht links oder rechts, nicht oben oder unten. Nein. Was einzig und alleine zählt, ist der ökonomische Erfolg der Konkurrenten gegen einander am freien Markt. Und wer schließlich könnte diesem Gradmesser tiefster menschlicher Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Zufriedenheit, ja dieser wahren Realisierung menschlichen Glücks widersprechen? Österreich hat unter Wolfgang Schüssel und seiner segensreichen Regierung endlich seine Bestimmung in der harten Konkurrenz auf freien Kapital- und Arbeitsmärkten gefunden.

Was also 2005 passieren soll, ist klar: Unsere Geschichte soll endlich Geschichte werden. Weg mit der Vorstellung einer historischen Entwicklung dessen, was ist. Weg mit der Vorstellung, dass das, was ist, geworden ist, gewollt und durchgesetzt wurde, dass gegen das, was ist, gekämpft und gerungen wurde, dass das was ist, kein natürliches und gottgewolltes Naturphänomen ist, keine dem Menschen innewohnende schicksalhafte Zwangsbestimmung. Weg und über Bord mit der Vorstellung, dass es zu dem, was ist, Alternativen gibt.

Die Rute für diese Verantwortungslosigkeit steht übrigens schon deutlich sichtbar im Fenster. Wer aus der Geschichte nicht lernen will, muss halt aus den eigenen Fehlern lernen. Und schon sind sie wieder da: Asyl- und Ausländergesetze, die keinen Vergleich scheuen müssen. Polizeiermächtigungsgesetze, die von Videoüberwachung bis Rasterfahndung keinen Wunsch mehr offen lassen, bewaffnete Truppen für den militärischen Einsatz im außereuropäischen Ausland auch ohne UN-Mandat, offene Diskussionen über die gesetzliche Ermächtigung zu Folter in kriminalistischen Ausnahmesituationen, eine geradezu ökonomistisch zu nennende Euthanasiedebatte und so weiter und so fort. Und deshalb sagen wir bei kärnöl:

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Martin Moser, 2004-12-16, Nr. 1564

Und vergessen wir nicht: Der Austrokoffer, der jetzt Landvermessung heißt, der die Republik feiern soll und von dem die meisten eh nix halten. Außer ein paar Austrokoffer.

Hans Haider, 2004-12-16, Nr. 1567

Stimmt natürlich. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es auch Initiativen gibt, die dem gegensteuern. Nicht zuletzt kärnöl selbst, wie die beiden letzten Artikel von Koroschitz und Haider beweisen. Auch im Archiv von kärnöl finden wir immer wieder Beiträge, die diesen Intentionen der schwarz-blauen Regierung entgegenwirken. Dieses Engagement sollte kärnöl beibehalten und im " Nein zum Geh`danken! Jahr" sogar verstärken.

Martin Moser, 2004-12-17, Nr. 1572

Hans! Genau das sich Nicht-Identifizieren-Wollen mit dem schwarz-blauen Austrokoffer ist ja der Punkt, warum viele große LiteratInnen mit der sogenannten Landvermessung nichts zu schaffen haben wollen. Denke z.B.: an Peter Hanke. Thomas Bernhard dreht sich angesichts des Austrokoffers im Grabe um.

lg

Martin Moser

Martin Moser, 2004-12-17, Nr. 1573

Ja, solche Initiativen wie Kärnöl dürfen nicht unterschätzt werden!

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