2004-09-03
Michael Guttenbrunner - Zeitkritiker im Stil von Karl Kraus
kärnöl - Nachlese
Er gehörte zu den unbequemen Zeitzeugen – im gewissen Sinne der einzige wirkliche Antifaschist im „wilden Kärnten“. Beginnen wir mit einer berühmten Ohrfeige, die der Nachrufer der „Kleinen Zeitung“ vornehm andeutet: Jedermann, der sich mit der Sache befasst, weiß, wie führende Nationalsozialisten in Kärnten (eine Liste sollte man ins Netz stellen!) auch nach 1945 unter sozialistischer Herrschaft ihre Stellung behaupteten. Die Mitglieder des Kärntner Kunstvereins, die keinen Finger gerührt hatten, als die Kärntner Nationalsozialisten 1938 die Kolig-Fresken im Landhaus zerstörten, behielten auch nach dem 8.8.1945 ihre führende Stellung. Hohe Funktionäre wurden Landes-Archiv- und Landes-Museumsdirektoren und erhielten von Direktoren Nachrufe, in denen ihre Kunstdiebstahlsaktionen von 1941-1945 in Slowenien beschönigt wurden.
Als es 1950 zu einer Ausstellung des Hitlerporträtisten Karl Truppe im Künstlerhaus kam, schrieb der von den Nazis zum Tode verurteilte Autor der „Schwarzen Ruten“: „Truppe ist ein nationalsozialistischer Maler – das ist das Geheimnis des Erfolges, den er heute, fünf Jahre nach dem Tode Hitlers, in Klagenfurt buchen kann. …Truppe hat die wutkranke, hysterische, vom Schmutz der Feigheit starrende Bestie schöngefärbt. …Soll dass heißen, dass jene, die von den Nazis erschlagen worden sind, Verbrecher waren?“
Das muss gesagt werden, heute am Tag der Eröffnung der Landesausstellung, an dem Lh. Haider die Bilder Truppes präsentiert. Guttenbrunner war vom Juni 1945 bis zum März 1946 im Klagenfurter Irrenhaus interniert. Der surrealistische Dichter Max Hölzer, dessen Gedichte wir neu verlegen, holte ihn aus dem Gefängnis und besuchte ihn mit Paul Celan, der in Klagenfurt Gedichte verlegen wollte, zu denen Guttenbrunner einen im Druck befindlichen Text beisteuerte.
Unter dem Pseudonym „Michael Straßburg“ wirkte Guttenbrunner an den von Hölzer in Klagenfurt verlegten „Surrealistischen Publikationen“ mit. Die von uns publizierten Briefe Anton Koligs an Guttenbrunner und dessen Briefe an Anton Mahringer – in denen er sich als „alleinstehend“ bezeichnete – verdeutlichen sein Engagement in der Gruppe um die Verlegerin Edith von Kleinmayr, Maria Lassnig und den Kulturamtsleiter Johannes Lindner, der ihn anstellte. Lindner hatte Verständnis für ihn; wenn er einmal eine Nacht gezecht hatte, gab es keine Schelte, sondern nur den Rat: „Guttenbrunner, gehen Sie in den Wald!“ Besonders befreundet war er mit dem Villacher Maler Arnold Clementschitsch.
Auf Rat Ingeborg Bachmanns ging er 1950 nach Wien, aber er blieb dem Land verbunden. „Ich leide an Nachrichten aus Kärnten“, schrieb er mir einmal. In Kraus`scher Manier griff er in Konflikte ein. Dies dokumentieren 8 Bände „Im Machtgehege“ – nicht 5, wie der Nachrufer des „Standard“ schrieb! Er wurde viel gelobt, wenig gelesen; der Erfolg seiner Bücher war so mäßig, dass er nie ein Honorar erhielt (er ließ sich eine „Armutsbestätigung“ fürs Finanzamt ausstellen). Ich wollt`s nicht glauben, fragte bei Rimbaud nach – aber es sind nie die Gestehungskosten hereingekommen!
Er war nicht leicht; als ich ihn einst fragte, warum er keinen Kontakt mehr zu Janko Messner habe, sagte er: „Er hat geschrieben, ich kröche dem Lh. Wagner in den Arsch. – Ich bin noch nie in meinem Leben jemand in den Arsch gekrochen!“ Die harte Kritik mussten alle in Kauf nehmen, auch der Germanist, der zum „Tonhof“ schrieb, es sei dort „gevögelt worden“. „Wozu dient das?“ polterte Guttenbrunner. Kitab ist stolz, einen der letzten Texte des Autors, der am 23.4. den Theodor-Körner-Preis erhielt, ins Netz stellen zu können. Wir wollen in seinem Sinne weiter mit Büchern und Texten in das Geschehen eingreifen.