2006-04-11
Ohne Rücksicht auf Verluste 1
Über sogenannte Kompromisse
Die EU wird oft als Schutz gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung gesehen. Real ist sie Vorreiterin im globalen Konkurrenzkampf: Mit den Lissabon-Zielen will die EU zum „wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt” werden. Dazu soll die Konkurrenz im Inneren der EU massiv verstärkt werden, u.a. durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie und die Arbeitszeitrichtlinie. Das wird hart - insbesondere auch für Frauen.
Hier eine Zusammenstellung von Eva Aichholzer, das nächste mal zur Arbeitszeitrichtlinie:
Der Spruch „Ausnahmen bestätigen die Regel” ist für den sog. Kompromiss zur EU-Dienstleistungsrichtlinie charakteristisch. Worum geht es?
2003 legte Kommissar Bolkestein den Entwurf einer EU-Dienstleistungsrichtlinie (DLR) vor, der mit einem Schlag alle Dienstleistungen - also auch die öffentliche Daseinsvorsorge - den Konkurrenzmechanismen des Marktes überlassen hätte. Der Oberhammer war – und IST – das Herkunftslandprinzip: Firmen können in den Staaten ihren Hauptsitz errichten, in denen die niedrigsten Standards herrschen und von diesen Ländern aus mit diesen Niedrigststandards am ganzen EU-Markt auftreten.
Die DLR wurde in der Folge massiv kritisiert und immer mehr Ausnahmen in den Entwurf hineinreklamiert. Der jüngste Entwurf wurde im Februar im EU-Parlament verabschiedet und als Kompromiss gefeiert. Aber:
- Das Herkunftsland bleibt inhaltlich erhalten (so Othmar Karas von der ÖVP), es wird lediglich in „Bestimmungen zum freien Dienstleistungsverkehr” umgetauft. Zwar können unter bestimmten Bedingungen die Länder Beschränkungen erlassen (Umweltschutz, Gesundheit ...), Verbraucher/innenschutz und Sozialpolitik wurden als Kriterien aber herausgestrichen.
- An sich positiv wäre, dass das Arbeitsrecht aus der Richtlinie herausgenommen wurde. Aber es fehlt an allen Umsetzungsmöglichkeiten bei Verstößen, kritisiert die AK.
- Abgelehnt wurde ein Antrag, aus der DLR die öffentliche Daseinsvorsorge generell auszunehmen, hier gibt es nur Ausnahmen, Ausnahmen ...
Was den – faulen – Kompromiss charakterisiert, ist die Schwammigkeit der Formulierungen. Das ist gut für die, die an niederen Standards Interesse haben, denn der Europ. Gerichtshof entscheidet meist für den “freien” Markt. Die EU-DLR bleibt ein Schritt in die falsche Richtung, denn was gebraucht werden würde, wäre die Festschreibung von Standards auf hohem Niveau und ein klarer Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge!
Wie gehts weiter?
Die EU-DLR ist noch nicht in Kraft, sie muss noch von den EU- Mitgliedsstaaten, angenommen werden!
Anläßlich des Treffens der WettbewerbsministerInnen in Graz am 21./22. April
(Bildungs-, Wirtschafts- und InfrastrukturministerInnen) ruft
ein breites Bündnis von Parteien und NGOs zu einer Demonstration unter dem
Motto "Gegen neoliberalen Wettbewerb - für eine solidarische Gesellschaft"
auf.
Zeit: Samstag, 22. April 2006, 11.30 Uhr
Ort: Hauptbahnhof, Graz
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